Cee Cee Creative Newsletter Book Neighborhood Map Lessons
Stadtplan
Information
archive temp
loop temp
VON FRAUEN, BIENEN UND DEM KINO: DREI AUSSTELLUNGEN BEI C/O BERLIN

VON FRAUEN, BIENEN UND DEM KINO: DREI AUSSTELLUNGEN BEI C/O BERLIN

Was heißt es, als Frau in unserer Gesellschaft zu leben? Das C/O Berlin sucht aktuell in zwei Ausstellungen nach Antworten. In der Hauptschau wird eine Pionierin der feministischen Kunst umfassend gewürdigt: Seit den 1960ern stellt die österreichische Künstlerin Valie Export ihren Körper immer wieder in den Mittelpunkt von Aktionen, Video- und Fotoarbeiten. Drastisch wirken ihre frühen Performances heute, für die sie nicht selten an eigene Grenzen ging, um klischeebeladene Rollenbilder sichtbar zu machen. Unvergessen bleiben ihr „Tapp- und Tastkino“ und ihre „Aktionshose: Genitalpanik“, die den “male gaze” in der Pornografie öffentlich kritisierte. Exports Arbeiten transportieren Kritik bildstark und humorvoll. Aber selbst, wenn sie schmerzhafte Botschaften unmittelbar ausspricht, kommt sie stets ohne erhobenen Zeigefinger aus. Ihre Stärke liegt in der geschickten Entlarvung sozialer Widersprüche. Die katalanische Künstlerin Laia Abril beschäftigt sich unterdessen mit sexualisierter und systemischer Gewalt gegen Frauen. Bei C/O präsentiert sie eine umfassende Recherchearbeit zu den Machtdynamiken, die Vergewaltigungen ermöglichen. Für ihr Projekt „On Rape – And Institutional Failure“ gibt sie die Erzählungen von Überlebenden nicht direkt wieder, sondern nähert sich emphatisch über Archivmaterial, Gesetzestexte und Mythen. Aus den nüchternen Fragmenten schafft sie eine eindringliche Auseinandersetzung, die lange nachhallt.

Mit einem Langzeitprojekt hat auch der Künstler Aladin Borioli von sich Reden gemacht: Für „Bannkörbe“ wurde der junge Schweizer in diesem Jahr mit dem C/O Berlin Talent Award ausgezeichnet. Wie Menschen und Bienen zusammenleben, zeigt er in Text, Bild und Objekten. Für seine umfangreiche Feldforschung arbeitete er mit Bienenforscher:innen, Wissenschaftler:innen und Imker:innen zusammen. Die Kurator:innen bieten in allen drei Schauen klaren politischen Positionen eine Bühne, von denen es in Berlin nicht genug geben kann.

Text: Laura Storfner / Credits: Military Rape, 2019, Laia Abril, Courtesy Les filles du calvaire Paris; Aktionshose-Genitalpanik, 1969, Valie Export, Foto: Peter Hassmann; Ausstellungsansicht, Foto: David von Becker 

C/O Berlin, Hardenbergstr.22–24, 10623 Berlin-Charlottenburg; Stadtplan

Valie Export. Retrospektive, bis 21.05.2024
Laia Abril. On Rape – And Institutional Failure, bis 21.05.2024
Aladin Borioli. Bannkörbe. C/O Berlin Talent Award 2023, bis 21.05.2024

@coberlin

cee_cee_logo
BLACK SITES, BOXES & HOLES — DIE AUSSTELLUNG “POETICS OF ENCRYPTION” IM KW FÜHRT DURCH DIE ÄSTHETISCHEN WELTEN DES DIGITALEN

BLACK SITES, BOXES & HOLES — DIE AUSSTELLUNG “POETICS OF ENCRYPTION” IM KW FÜHRT DURCH DIE ÄSTHETISCHEN WELTEN DES DIGITALEN

Lange waren die Ausstellungsräume der Kunst-Werke in Berlins Auguststraße nicht mehr komplett mit einer einzigen Ausstellung bespielt. Seit Mitte Februar ist das anders. „Poetics of Encryption“ heißt die aktuelle Schau, kuratiert von Nadim Samman, welche die Betrachter:innen mitnimmt in die Landschaften des Digitalen mitsamt seiner verborgenen Mechanismen. Inspiriert vom gleichnamigen Buch erkundet sie eine Landschaft geprägt von Black Sites, Black Boxes und Black Holes – geheimen Orten und undurchsichtigen Systemen. In drei Kapiteln werden Werke von über vierzig internationalen Künstler:innen präsentiert, die sich mit der Ästhetik und Politik der Verschlüsselung auseinandersetzen. Im Kapitel „Black Site“ werden Kunstwerke gezeigt, die das Gefühl des Eingeschlossenseins in einer digitalen Welt thematisieren. Die Arbeiten führen Strategien des Suchens und Wiederherstellens vor und verhandeln das Entschlüsseln und Entsperren von Technologie, während „Black Box“ die intellektuelle Unzugänglichkeit omnipräsenter Tech-Produkte und Kontrollsysteme untersucht. Die in diesem Kapitel enthaltenen Kunstwerke verdeutlichen das Spannungsverhältnis zwischen dem sichtbaren Interface und dem unsichtbaren Backend. „Black Hole“ beschäftigt sich schließlich mit den Auswirkungen kompakter digitaler Archive und algorithmischer Prozesse auf die kulturelle Raumzeit. Hier werden die Folgen der „totalen Datafizierung“ erforscht, während Künstler:innen den Ereignishorizont der digitalen Ära ausloten. Die Ausstellung bietet einen faszinierenden und überraschend analogen Einblick in die Welt der digitalen Verschlüsselung und lädt dazu ein, sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft auseinanderzusetzen. 

Text: Hilka Dirks / Credits: Andrea Khôra, Rapture, 2024, Foto: Frank Sperling; Carsten Nicolai, anti, 2004, Foto: Uwe Walter; Êmilie Brout & Maxime Marion, Idle, 2023.

KW Institute for Contemporary Art, Auguststr.69, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan

@kwinstituteforcontemporaryart

cee_cee_logo
DER MÄRZ MACHT DIE MUSIK — MAERZMUSIK, DAS FESTIVAL FÜR NEUE MUSIK VON DEN BERLINER FESTSPIELEN

DER MÄRZ MACHT DIE MUSIK — MAERZMUSIK, DAS FESTIVAL FÜR NEUE MUSIK VON DEN BERLINER FESTSPIELEN

Nach Januar kommt Februar und auf Februar folgt in Berlin die MaerzMusik. Seit 22 Jahren als Nachfolge der Musik-Biennale Berlin von den Berliner Festspielen veranstaltet, hat sich das Festival für Experimentelle Musik fest im Kalender der internationalen Szene etabliert. Vom 15. bis 24. März finden wie immer im Haus der Berliner Festspiele und an weiteren Orten in Berlin Konzerte, Performances und künstlerische Interventionen statt. Es laden Installationen, Musiktheater und Diskursformate zur Erkundung und Entdeckung der Kunst und Theorie rund um die Multimodalität des Hörens ein. Das Programm ist wie immer so dicht und divers, dass man am liebsten alles hören möchte: Audrey Chen und Hugo Esquinca, die mit ihrer neuen Arbeit „Your Mouth Limb Dismembered, The Gradual Tongue Dissected” in der Reihe „Topogragphies of Hearing“ die Grenzen des körperlichen Ausdrucks und der technologischen Manipulation menschlicher Klänge ausloten. Eine der erstaunlichsten Kompositionen Karlheinz Stockhausens, „Musik im Bauch„, für sechs Perkussionist:innen und zwölf Spieluhren, wird von Simon Steen-Andersen und Les Percussions de Strasbourg neu interpretiert. Erwan Keravec widmet sich mit seinem Konzert den ästhetischen Potenzialen des Dudelsacks. Die für ihn und sein Instrument von Heiner Goebbels und Éliane Radigue verfassten Stücke „N°20/58“ und „OCCAM XXVII“, werden von einer Interpretation eines Stücks von Philip Glass, „Two Pages“, ergänzt – um nur einige der diesjährigen Programm-Highlights zu nennen.

Ergänzt wird das Festival mit jeder Menger Kontext, Ausstellungen und natürlich noch mehr Musik, Musik, Musik. Das ganze Programm zum Selbstentdecken gibt es hier. Und wenn man sich eins nicht entgehen lassen sollte, wäre das der zweite Teil des Rechercheprojekts „Contemplations into the Radical Others“ über das Schaffen der intermedial arbeitenden und im Jahr 2000 verstorbenen Komponistin Lucia Dlugoszewski, welches an die Präsentation des letzten Jahres anschließt und gleichermaßen historische, zeitgenössische wie zukünftige Perspektiven auf Leben und Werk einer beeindruckenden Künstlerin eröffnet, deren Leben so kontemporär und vielfältig erscheint, wie die diesjährige Festivalausgabe an sich.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Christina Kubisch, Camille Blake & Christophe Urbain

MaerzMusik findet vom 15.–24.03.2024 im Haus der Berliner Festspiele und an weiteren Locations in Berlin statt. Tickets und weitere Informationen sind online erhältlich.

@berlinerfestspiele

cee_cee_logo
AM ANFANG WAR EIN KLEID — DIE AUSSTELLUNG “PAST INTELLIGENCE: GIVENCHY, ULI RICHTER, STUDENTS” IM KUNSTGEWERBEMUSEUM

AM ANFANG WAR EIN KLEID — DIE AUSSTELLUNG “PAST INTELLIGENCE: GIVENCHY, ULI RICHTER, STUDENTS” IM KUNSTGEWERBEMUSEUM

Es war einmal ein Kleid. 1986 entworfen vom französischen Designer und Couturier Hubert James Marcel Taffin de Givenchy, Gründer des Hauses Givenchy im Jahr 1952. Lang, aus Samt und Seide, mit Schleife und allem, was einem sonst so einfallen kann, wenn man an die Wörter “Kleid” und “Haute Couture” denkt – quasi ein Kleid der Kleider. Vielleicht war es das, was den Westberliner Kult-Couturier und ehemaligen UdK-Professor Uli Richter so anzog, dass er das Kleid wenige Jahre später selbst interpretierte. Seine Interpretation von 1989 setzt Ton und Grundlage für die Ausstellung “Past Intelligence: Givenchy, Uli Richter, Students”, die noch bis zum 26.05.2024 im Kunstgewerbemuseum im Kulturforum zu sehen ist. Mittelpunkt der dortigen Auseinandersetzung: Was können junge Modedesigner:innen aus vergangenen Trends und Moden ziehen? Anhand der Entwürfe der beiden Godfathers of Couture hangelten sich junge Studierende des Atelier Chardon Savard der Hochschule Macromedia Berlin an eben jener Frage entlang. Rekonstruktion, Dekonstruktion, Neukonstruktion für Schnitt, Material – und Rollenbild. Herausgekommen ist eine unterhaltsame und nahbare Ausstellung, mit Mustern zum Anprobieren und einem kommenden Workshop: “Ich nähe mein eigenes Givenchy-Kleid”, bei dem Du unter Anleitung selbst nähen kannst und über die Frage nachdenkst, wo Givenchy aufhört und der höchst eigene Entwurf beginnt. Und schon sind wir mittendrin, in der “Past Intelligence”.   

​Text: Hilka Dirks / Fotos: Franka Dehmel, Lola Schreiner, Noa Lesche

Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin–Tiergarten; Stadtplan
Di–Fr 10–18h, Sa–So 11–18h

Past Intelligence: Givenchy, Uli Richter, Students bis 26.05.2024.

cee_cee_logo
PHOENIX AUF DEM DACH: HANS UHLMANN IN DER BERLINISCHEN GALERIE

PHOENIX AUF DEM DACH: HANS UHLMANN IN DER BERLINISCHEN GALERIE

Auf dem Dach der Philharmonie befindet sich eine der wohl kuriosesten Skulpturen Berlins: Der Plastiker Hans Uhlmann installierte hier 1964 seinen Phoenix, einen stilisierten Vogel mit zwei breiten Flügeln aus Metall. Doch während Kunst am Bau andernorts ins Auge springt, scheint sich Uhlsmanns Skulptur den Blicken zu entziehen. Sein Phoenix schmiegt sich so nah an die Architektur an, dass er fast nicht auffällt – und steht somit sinnbildlich für das Werk des Künstlers. Uhlmanns Arbeiten fügen sich nahtlos ins Berliner Stadtbild ein. Seine Stahlspiralen und Säulen schrauben sich im Hansaviertel, vor der Deutschen Oper und an der Universität der Künste in die Luft. Doch sein Name ist den meisten heute unbekannt. Die Berlinische Galerie will dies nun mit der ersten umfassenden Retrospektive seit 50 Jahren ändern. Mit rund 80 Skulpturen und grafischen Arbeiten zeichnet das Museum Uhlmanns Leben und Schaffen von den künstlerischen Anfängen in den 1930ern bis zu seinem Tod in den 1970ern nach. Nach einem Maschinenbaustudium versuchte sich der gebürtige Berliner immer wieder als Bildhauer, früh entdeckte er Draht als Hauptmaterial für seine Arbeiten. Als er 1933 bei einer antifaschistischen Flugblatt-Aktion festgenommen und zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt wird, füllt er die Zeit im Gefängnis mit der einzigen Betätigung, die ihm bleibt: dem Zeichnen.

Die befreundete Künstlerin Jeanne Mammen schmuggelt Stifte und Blöcke ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung stellt er die Ideen der Zeit aus: Er realisiert Köpfe aus Metall- und Eisendraht. Uhlmann bezeichnete seine Inhaftierung als die „wichtigste Periode“ seiner künstlerischen Entwicklung. Auch wenn die feinen Drahtfiguren später massiven Metallplastiken wichen, bleibt das Lineare stets Teil seiner Formensprache. Während seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule der Künste in den 1950ern entwickelte Uhlmann auch seinen eigenen Stil weiter: Figurative Auseinandersetzungen traten in den Hintergrund, stattdessen interessierte Uhlmann, wie er Bewegung im Raum mit reduzierten Formen darstellen kann. Seine abstrakten Formanordnungen ließen ihn zu einem der gefragtesten Künstler der noch jungen Bundesrepublik aufsteigen: Einladungen zur Biennale in Venedig und zur documenta folgten. Neben aufwendigen Kunst-am-Bau-Projekten kehrte er im Alter zur Zeichnung zurück. In schwarzer Kreide spürte er auf Papier dem Durchlässigen seiner Strukturen nach – und fand im Zweidimensionalen die Dynamik und Spontanität, die ihm Zeit seines Lebens so wichtig war. Uhlmann gelang, was vielen verwehrt ist: Seine Arbeiten entfalten eine stille Kraft. Auch wenn sie, wie der Phoenix auf dem Dach der Philharmonie, zunächst im Hintergrund bleiben.

Text: Laura Storfner / Fotos: Anja Elisabeth Witte & Clemens Poloczek / Credit: Rechtsnachfolger:innen Ewald Gnilka/VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Margot Schmidt, Hamburg, für das Werk von Hans Uhlmann: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Alte Jakobstr.124–128, 10969 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Hans Uhlmann: Experimentelles Formen bis 13.05.2024 Mi–Mo 10–18h

@berlinischegalerie

cee_cee_logo