Ungewöhnliche Orte mit Kunsträumen gibt es in Berlin gefühlt an jeder Ecke: Ehemalige Brauereien, Metzgereien, Kioske und Kaufhäuser müssen nicht lange warten, bis sie umfunktioniert werden. Doch die Galerie Hošek sticht selbst zwischen den kreativsten Umnutzungen hervor. Nicht einmal eine eigene Hausnummer hat sie. Und das aus gutem Grund, denn Hošek Contemporary findet man nicht am Wegesrand – sondern auf dem Wasser. An Bord der MS Heimatland, nahe der Fischerinsel, zeigt das Team regelmäßig wechselnde Ausstellungen. Aktuell ist eine Installation des Künstlers Alex Flemming zu sehen: Für „Lapides“ sammelte der 70-jährige Brasilianer 100 alte Computer, die ausrangiert werden mussten. Weil sie nicht mehr richtig funktionierten oder ein neueres, schnelleres Modell auf den Markt gekommen war. Auf die Frage, was auf die Geräte noch wartet, fand Flemming eine optimistische Antwort: Er übermalte sie mit kräftigen Farben und versah sie mit den Namen ihrer früheren Besitzer:innen.
Entstanden ist eine bunte Landschaft aus ausgemusterten Dingen, von denen man sich – wenn sie funktionieren – nicht trennen kann. Von Geräten, die das ganze Sein eines Menschen in sich tragen können, die Passwörter und Suchverläufe kennen und bisweilen das Bett mit einem teilten. Bis man sie zu Abfall degradiert. Durch den neuen Anstrich schenkt Flemming ihnen ein würdiges, zweites Leben. Indem er sie nun hier, auf der Spree, präsentiert, verleiht er ihnen nebenbei noch eine weitere Bedeutungsebene: Flemming wird zum Fährmeister Charon aus der griechischen Sage, der die Geräte über den Totenfluss in die Unterwelt transportiert – und somit in einen Neuanfang hinein. Er macht Hoffnung: auf ein Leben nach dem Komplettabsturz.
Text: Laura Storfner / Fotos: Mari Vass & Henrique Luz / Credit: Alex Flemming; Hosek Contemporary
Hošek Contemporary, auf dem Boot MS Heimatland, nahe Fischerinsel 2, 10179 Berlin–Mitte; Stadtplan
Alex Flemming – Lapides bis 23.06.2024
@hosekcontemporary