
Bei der aktuellen Berlin Biennale finden sich subtil-revolutionäre Arbeiten neben poetisch Eindeutigem. „das flüchtige weitergeben“ ist der Titel der 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, die letzten Freitag (einem 13.) endlich eröffnete. Ein passender Titel für diese internationale, dreimonatige Ausstellung, die an vier Hauptorten und genauso vielen „Schwester“-Häusern in der ganzen Stadt stattfindet und Kunst in außergewöhnlich hoher politischer und poetischer Dichte zeigt. Fast alle ausgestellten Arbeiten eint die revolutionäre Neugier ohne Lärm. Kuratorin Zasha Colah orientierte sich am Stadtfuchs – ebenjenem Tier, das sich flüchtig durch Berlin bewegt. Genauso still und entschieden agieren viele der Arbeiten. In den Gebäuden der KW, der ehemaligen Margarinefabrik in der Augustraße, wird man hinabgeführt in einen Raum, in dem Sandsteinblöcke zu einer Treppe gestapelt sind. Margherita Moscardini nummeriert jeden Stein, versieht ihn mit einem Echtheitszertifikat – und stellt damit Eigentum als Konstruktion infrage. Ganz in der Nähe, in den Sophiensælen, schaben sich Kohlezeichnungen an die Geschichte des Ortes, während aus einem Radio von Amol K. Patil rechte Parolen tönen, bis sie sich lautlos in Rauch auflösen. Währenddessen hängen im Hamburger Bahnhof glimmende Kreidebilder von Larissa Araz, und ein feurig rotes Banner von Gabriel Alarcón wirft koloniale Machtverhältnisse auf die Gegenwart zurück.
Im leerstehenden Moabiter Gerichtsgebäude gibt es nicht nur die Kunst, sondern auch gleich den ungewöhnlichen Ausstellungsort zu entdecken. Dort flackert unter anderem ein sarkastisches Kochvideo von Helena Uambembe, das Schlamm statt Teig knetet und von Nation, Herkunft und Gedächtnis spricht. Vieles bleibt beiläufig. Die Ausstellung gewinnt die Herzen der Betrachter:innen durch sanfte Zurückhaltung. Ganz in diesem Sinne verzichtet die Kuratorin weitgehend auf große internationale Namen, stellt die Arbeiten selbst in den Vordergrund (auch wenn Kunstkenner:innen sicher viele ihnen bekannte Positionen finden werden, wie die Berliner:innen Hannah Höch oder Gernot Wieland und den preisgekrönten Weltstar Steve McQueen). Als Rahmenprogramm gibt es Lesungen, Spaziergänge und Diskussionsrunden, die die gesamte künstlerische Haltung ergänzen. Nichts will abgeschlossen sein. Es geht um das, was man mitnimmt. Oder weitersagt. Und das lohnt sich.
Text: Hilka Dirks / Credits: Anawana Haloba, Looking for Mukamusaba – An Experimental Opera, 2024/25, Installationsansicht, 13. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 2025. Courtesy Anawana Haloba, Sammlung / Collection Hartwig Art Foundation, Foto: Marvin Systermans; Fredj Moussa, بلاد البربر , 2025; Jane Jin Kaisen, Wreckage, 2024.
13. Berlin Biennale
14.06.–14.09.2025. Das ganze Programm gibt’s hier.
KW Institute for Contemporary Art, Auguststr.69, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
Sophiensæle, Sophienstr.18, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Invalidenstr.50, 10557 Berlin–Moabit; Stadtplan
Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße, Lehrter Str.60, 10557 Berlin–Moabit; Stadtplan
@berlinbiennale