
Es gibt Künstler:innen, deren Werke liebt man aus der Ferne. Und dann gibt es Künstler:innen, die will man unbedingt persönlich kennenlernen. Weil ihre Gemälde so berührend, ihre Worte so tief und ihre Geschichten so beeindruckend sind. Etel Adnan, die 1925 in Beirut geboren wurde, ist eine von ihnen. Zwar ist eine Begegnung seit ihrem Tod 2021 nicht mehr möglich, aber nahe kommen kannst Du ihr aktuell im Kindl: Das Kunstzentrum widmet ihr eine Ausstellung, die ihr Werk im Wechselspiel mit dem ihrer Lebenspartnerin Simone Fattal präsentiert. Die Schau „Voices without borders“ ist als Dialog zwischen den beiden Frauen angelegt: als Gespräch, das nicht nur von ihrer Situation als Künstlerinnen in der arabischen Welt, sondern vor allem von ihnen als Menschen erzählt. Was sie verband, ist die Sprache. Denn die Keramikerin Fattal, 1942 in Damaskus geboren, arbeitete als Verlegerin, während Adnan, die grandiose Malerin und Filmemacherin, auch schrieb. Nach langen Jahren in Kalifornien kehrte Adnan in den Siebzigern in den Libanon zurück, um als Journalistin für französische Zeitungen zu arbeiten.
Hier lernte sie die zwanzig Jahre jüngere Fattal kennen. Die beiden werden ein Paar, doch mit dem Beginn des Bürgerkriegs müssen sie fliehen. In Paris beginnt Adnan, ihre Erfahrungen der Zeit in einen Roman und in Gedichte zu übersetzen, die Fattal verlegt. Später entdeckt Adnan Leporellos für sich und entfernt sich, inspiriert von der arabischen Tradition der Kalligrafie, langsam von der Schrift hin zu Zeichen. Ihre leuchtenden Formlandschaften überträgt sie auf Papier – aber auch auf Leinwand und Tapisserie. Man erkennt naturgegebene Grundformen in Adnans abstrakten Bildern. Da sind Berge, Wolken und Sonnen, beobachtet und erlebt zwischen Kalifornien und Frankreich. Es sind dieselben Formen, die man auch im skulpturalen Werk von Fattal wiederfindet. So eröffnet „Voices without borders“ nicht nur Räume, die entschieden feministisch und queer sind. Es ist eine Ausstellung, die erzählt – vom Leben, von der Liebe und Verbundenheit zwischen zwei Menschen.
Text: Laura Storfner / Credits: Simone Fattal, The Estate of Etel Adnan / VG Bild-Kunst, Bonn, 2023; Foto: Jens Ziehe
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Am Sudhaus 3, 12053 Berlin-Neukölln; Stadtplan
Etel Adnan & Simone Fattal: Voices without borders, bis 01.01.2024
Mi 12–20h, Do–So 12–18h
@kindlberlin