Es gibt nur einen Ort in Berlin, der so perfekt genau das vereint, was ich am liebsten mag: Architektur und Landschaft. Die Rede ist vom Hansaviertel, einem der prägendsten Architekturprojekte der Nachkriegszeit am Berliner Tiergarten – das westdeutsche Pendant zum Wohnbauprogramm der DDR rund um die Karl-Marx-Allee (1951). Der Einsatz von neuen Materialien, Splitt-Leveln, flexiblen Grundrissen und großzügigen Fensterfronten zeichnete die neuen Wohngebäude aus. Die Grundidee der IBA’57 „Stadt von morgen“ war und ist bis heute ein hochaktuelles Thema in Berlin: Bezahlbaren sozialen Wohnraum schaffen. Mehr als 50 Architekten aus vierzehn Ländern realisierten hier ab 1951 ihre Entwürfe (1300 Wohneinheiten), darunter Alvar Aalto, Arne Jacobsen, Werner Düttmann, Max Taut, Egon Eiermann, Walter Gropius und Oscar Niemeyer. Als einzige Frau und Landschaftsarchitektin gestaltet Herta Hammerbacher den Hansaplatz – das Zentrum des Hansaviertels. Was ich mich bei meinen Spaziergängen durch das Viertel frage: Wer sind die Menschen, die hier wohnen? Wer sind die Gesichter hinter all diesen Fenstern? Diesen Gedanken beschäftigte auch die Journalistin Anna Frey und Fotografin Caterina Rancho. Aus Neugierde heraus entstand der bunte Architekturführer „Hansaviertel Portraits“ mit Portraits von zwölf Bewohner:innen, die ihre Türen für Anna und Caterina öffneten.
Und unterschiedlicher geht’s kaum – was sie jedoch alle vereint, ist die Faszination und Verbundenheit zum Quartier und dessen Geschichte: Daniel aus dem Eternithaus, der seit fünf Jahren im Viertel lebt und den man mehrmals im Monat bei seinen Architekturführungen begleiten kann. Die sympathische Architektin Lina, die im Hochhaus der Niederländer Bakema/van den Brock lebt und für ihre Masterarbeit eine Sound-Installation über das Hansaviertel kreiert hat. Hannes und Peter, die durch die anderthalbgeschossigen Fensterfronten des Scheibenhochhauses von Pierre Vago die Siegessäule mit Goldelse durch die Baumwipfel des Tiergartens sehen. Sie schätzen die unterschiedlichen Lebenskonzepte (durch unterschiedliche Grundrisse), die dieses Haus vereint. So divers und visionär wie das Viertel sind die Anwohner:innen und der neue Architekturführer, der im Oktober 2024 im Distanz Verlag erschienen ist. Der perfekte Begleiter für meine regelmäßigen Besuche im Hansaviertel.
Text: Milena Kalojanov / Fotos: Robyn Steffen
„Hansaviertel – Portraits“ von Anna Frey und Caterina Rancho. 192 Seiten, erschienen im Distanz Verlag auf Deutsch und Englisch.
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