SAMMELN, FERMENTIEREN, EXPERIMENTIEREN — BEI AERDE FINDEN HEIMISCHE ZUTATEN, ALTE TECHNIKEN & NEUE IDEEN ZUSAMMEN

SAMMELN, FERMENTIEREN, EXPERIMENTIEREN — BEI AERDE FINDEN HEIMISCHE ZUTATEN, ALTE TECHNIKEN & NEUE IDEEN ZUSAMMEN

Auf der Webseite von Aerde ist nicht viel über das Restaurant zu lesen – abgesehen von einem schlichten Satz: „aerde is a twenty-seat research restaurant with a special focus on the flavours of our local forests and fields.“ Außerdem ist neben dem Berliner Standort von einem zweiten im brandenburgischen Wendisch Rietz die Rede: Hier fermentiert, sammelt und experimentiert das Team von Aerde – im besten Falle mit dem, was die direkte Umgebung zu bieten hat. Mich erstaunte das zunächst: Geht es bei einem Restaurantbesuch nicht in erster Linie um das Erlebnis, das Menü, das Ambiente? Das Team von Aerde belehrt uns eines Besseren: Bevor der fein komponierte und geschmacklich abgestimmte Teller vor uns serviert werden kann, bedarf es Recherche, einige Testläufe, viel Fantasie und ein umfangreiches Wissen über die Verarbeitung von Produkten. Genau dieses Repertoire bringt der junge Küchenchef Igor Kazakov, zuvor Sous Chef im Cordo, mit. Der Fokus liegt dabei auf der Fermentation regionaler Produkte – ein roter Faden, der sich in der ganzen Vielseitigkeit dieser Technik durch das Menü zieht.

Das Fischgarum aus eigener Produktion verleiht der Forelle mit gepufftem Quinoa – beides aus der Region – an geräuchertem Paprika-Öl seine verdiente Komplexität. Garum ist übrigens eine antike römische Gewürzsauce, die bei der Zersetzung von Proteinen ensteht. In der Antike war Garum also, was heute Fisch- oder Sojasauce ist. Unser persönliches Highlight: gerösteter Austernpilz an eingelegten Wunderlauch-Knospen, die nur bei uns in Berlin wachsen, auf einer schaumigen „Heu Hollandaise“ – die so buttrig ist, wie der Name es vermuten lässt. Das uckermärkische Reh-Tatar mit eingelegten Johannisbeeren, Rindergarum und Knoblauchbrot aus der Domberger Brotwerk Bäckerei hat uns die Sprache verschlagen. Zu den fein harmonierenden Komponenten passt die gut abgestimmte Weinbegleitung von Hillevi Hövelmann mit spannenden Naturweinen und vielen neuen Geschmacksfacetten. Schlichtes, rötliches Ocker ist der dominierende Farbton des gesamten Gastraumes und bietet sowohl dem Konzept als auch dem Namen des Restaurants den passenden Schliff. Das Menü liest sich schlicht und zurückhaltend, das Team ist leger und herzlich. Gastgeber Justus Will hat uns an diesem Abend auf eine wunderbare Art deutlich gemacht, dass es Aerde um das Produkt und die Technik geht. Alles andere ist sekundär.

Text: Laura Luisa Iriondo / Fotos: Raaago

Aerde, Am Lokdepot 6, 10965 Berlin–Schöneberg; Stadtplan
Di–Sa ab 18h

@aerde.berlin

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