Bastian Gehbauers künstlerisches Interesse basiert auf Orten und ihren Geschichten. Wobei der in Berlin lebende Künstler und Fotograf diese Orte nicht unbedingt selbst gesehen haben muss. In seiner Einzelausstellung „Memories of a place I have never been…Part II“ bei Hoto Berlin, die am Freitag eröffnet (25.08.2023), präsentiert er gefundenes Material aus Fotoarchiven, verbunden zu einer Erzählung. Die Serie „Phantasma“ (2022) beschäftigt sich beispielsweise mit dem deutsch-jüdischen Architekten Harry Rosenthal und dem Atelierhaus, das er eigens für den Schriftsteller Arnold Zweig entwarf. Das im Stil der Moderne erbaute Gebäude wurde, wie viele seiner umgesetzten Entwürfe während der Zeit des Nationalsozialismus bis zur Unkenntlichkeit verändert (1938 durch Heinrich Kleiner). Bastian Gebauers Serie verleiht dem Ort in Charlottenburg-Wilmersdorf einen geisterhaften, von Auslöschung und Vergessen betroffenen Charakter.
Daneben werden fragmentierte Architekturzeichnungen des jüdischen Architekten Martin Punitzers gezeigt. So wie Rosenthal gelang auch ihm in den 1930er-Jahren die Flucht aus Deutschland. Mit ihm ins Exil gingen seine Pläne für das Kino Roxy Palast, die nach seinem Tod im Jahr 1949 in Chile bei einem Feuer zum größten Teil zerstört wurden. Verbunden werden die einzelnen Arbeiten durch eine raumgreifende Installation, die aus Bauelementen des sogenannten Boulevard Cafés besteht, das anlässlich des 20. Geburtstages der DDR auf der Karl-Marx-Allee eröffnet wurde. Oder mit dem sogenannten Pinguin Café aus dem Dresdner Zoo, einem 1972 eröffneten Stahlgerüstbau, das vor einigen Jahren im Lapidarium der Stadt verstaut wurde. Von dort haben nun einige Teile die Reise (auf einen Kurzbesuch) zurück nach Berlin angetreten, um nicht vergessen zu werden. Die von Bastian Gehbauer ausgewählten Architekt:innen und Architekturen stehen paradigmatisch für Biografien und Kunstwerke, die einem gesellschaftlichen Vergessen zum Opfer fielen. Die Ausstellung zeigt eindrücklich, was ändernde politische Gegebenheiten mit Orten machen und holt die Lesbarkeit der in den Gebäuden verankerten Geschichten zurück in die Gegenwart. Wer die Erinnerung an diese und andere interessante Orte hervorrufen möchte, kann das bis zum 07.10.2023 in der Kreuzberger Galerie tun, die sich übrigens in einem ehemaligen Kino befindet.
Laura Catania ist Grafikdesignerin mit recherchebasiertem Fokus auf Bildende Kunst und Musik. Ihr Wirken in der zeitgenössischen Kunstszene findet zudem Ausdruck in der Kuration von Konzertformaten, wie der Reihe „Bar Palermo„. Sie ist Mitbegründerin des Musiklabels „Heaven“.
Text: Laura Catania / Fotos: Lukas Städler / Credit: HOTO & Bastian Gehbauer
Hoto Berlin, Bergmannstr.109, 10961 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Bastian Gehbauer – Memories of a place I have never been…Part II 26.08.–03.10.2023. Eröffnung Fr 25.08. 18–21h
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