
Sarah Kane war eine der wichtigsten Theaterautor:innen Großbritanniens. Vor 26 Jahren nahm sie sich das Leben – in ihrer kurzen Wirkungszeit veröffentlichte die junge Dramaturgin fünf Theaterstücke, die um die Jahrtausendwende als schwierig galten. Ihr vorletztes Stück „Gier“ wurde von Christopher Rüping für das Schauspielhaus Zürich neu inszeniert und ist jetzt im Deutschen Theater Berlin zu sehen. Und wie immer geht es in seinen Inszenierungen ausschließlich um die Liebe, denn diese hält unsere Gesellschaft fest im Griff. Wer wäre nicht gerne aufgehoben, in den Armen einer:s Anderen? Romantik ist zum Konsumgut geworden, gelingende Beziehungen sind mühsam, immer mehr Menschen suchen nach alternativen Beziehungsmodellen. Ist die Liebe immer noch unsere einzige Hoffnung? Die vielfach ausgezeichnete Inszenierung ist grandios. Christopher Rüping schafft es, das Begehren so auf die Bühne zu bringen, dass das Herz der Zuschauer:innen „in Stücke bricht“. Das liegt zum einen am fragmentartigen, aus symbolhaften Wortfetzen bestehenden Text von Sarah Kane und zum anderen an der schauspielerischen Leistung des fünfköpfigen Ensembles: Maja Beckmann, Benjamin Lillie, Sasha Melroch und Steven Sowah. Vor allem aber an Wiebke Mollenhauer, deren Gesicht fast zwei Stunden mit der Kamera gefilmt wird und sie auf diesen Text ausschließlich mit ihrer faszinierenden Mimik antwortet.
Es öffnet sich die Innenwelt verzweifelter Liebender, die auf der Suche nach Nähe sind. Es bleibt der unerwiderte Wunsch nach Geborgenheit. Jede mögliche Form der Liebe wird präzise durchlebt – ohne viel Pathos. Noch nie waren Angst, Panik, Wut, Trauer, Begierde, Wärme so eindrucksvoll aus einem Gesicht abzulesen. Die Stimmen und Textfragmente prasseln so lange auf sie ein, bis sie live aus dem Theater rennt – und mit einem Lächeln in die Spree springt. Don’t try this at home please, aber schau Dir unbedingt das Stück von Christopher Rüping an.
Text: Milena Kalojanov / Fotos: Orpheas Emirzas
Deutsches Theater, Schumannstr.13a, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
„Gier“ von Christopher Rüping. Tickets für die nächsten Aufführungen findest Du hier.
@deutschestheaterberlin