
Otl Aicher gilt als einer der bekanntesten deutschen Gestalter und Designer des 20. Jahrhunderts – nun widmet das Bröhan Museum seinen ikonischen Arbeiten für die Olympischen Spiele 1972 eine ganze Ausstellung. Aicher lebte im ländlichen Rotis im Allgäu, rebellierte damit bewusst gegen die glatte, elegante Urbanität und versuchte schon damals, Leben und Arbeiten an einem Ort zu vereinen. Seine gleichnamige Schriftart Rotis findet man auf Verpackungen in jeder deutschen Apotheke und jedem Supermarkt. Sie ist bis heute Gegenstand erhitzter Diskussionen unter Typograf:innen. Als einer der ersten großen Generalisten geht Aichers Bedeutung über die zweifelsfrei hohe Qualität seiner Arbeiten hinaus. In ihnen besetzt er bewusst Frei- und Leerräume, die ihm in der Nachkriegszeit zu Teil wurden. Er war enger Freund und Schwager von Hans und Sophie Scholl – im Juni 1942 begründeten die Geschwister mit anderen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ – und schlug sich als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus deutlich auf eine Seite der Geschichte. Für Otl Aicher war Gestaltung immer auch Haltung. Mit der Gründung der Hochschule für Gestaltung in Ulm gilt er als Wegbereiter der visuellen Kommunikation.
Ein entscheidender Moment in Aichers Wirken waren die Olympischen Spiele, die 1972 in München abgehalten wurden. Es waren nach Hitlers Olympiade von 1936 die zweiten Sommerspiele in Deutschland: In jeder Hinsicht sollten die Spiele eine Reaktion darauf sein. Nicht nur seiner schon damals hohen Bekanntheit, sondern sicherlich auch seiner politischen Haltung, die ihm vorauseilte, ist zu verdanken, dass Aicher den Auftrag zur Gestaltung der visuellen Identität erhielt. Im Bröhan Museum in Charlottenburg ist der visuellen Identität der Olympischen Spiele 1972 nun eine ganze Ausstellung gewidmet. Neben Originalen, detailreichen Erklärungen und Auszügen aus dem Erscheinungsbild sind 17 der insgesamt 21 ikonischen Plakate zu sehen, deren leuchtende Siebdruckfarben in den Räumen des Museums besonders gut zur Geltung kommen. Wie eine Zeitreise in die Gegenwart von damals fühlt sich das Betreten des Hauptraums an: Es ist spannend, wie sehr die politische Haltung sich in jeder gestalterischen Entscheidung wiederfindet. Die Ausstellung belegt mit vielen Ausstellungsstücken, wie ganzheitlich das Team um Aicher die Gestaltung der Olympischen Spiele begriff.
Text: Jan Husstedt / Foto: Jan Husstedt / Credit: Florian Aicher, Rotis; HfG-Archiv, Museum Ulm
Bröhan Museum, Schloßstr.1A, 14059 Berlin–Charlottenburg; Stadtplan
Otl Aicher – Olympia 72, Blackbox #11, Di–So 10–18h
@broehan_museum