KUNST IM SCHWEBEZUSTAND — VON MICHAELA MEIS BEI SCHERBEN UND JOHANNA DUMET, LENA MARIE EMRICH UND HANNAH SOPHIE DUNKELBERG BEI OFFICE IMPART

KUNST IM SCHWEBEZUSTAND — VON MICHAELA MEIS BEI SCHERBEN UND JOHANNA DUMET, LENA MARIE EMRICH UND HANNAH SOPHIE DUNKELBERG BEI OFFICE IMPART

Eine Nebelschicht breitet sich aus bei Scherben, dem neuen Ausstellungsraum auf der Leipziger Straße. Er umspielt die „Trans Columns“ der Künstlerin Michaela Meise, die diese 2009 im Zuge der Finanzkrise schuf. Ihr Skulpturen erinnern an die monumentalen Säulen der New York Stock Exchange – nur dass Meises Pfeiler nicht aus Marmor, sondern aus fragilen Holzstangen bestehen. Sie sind aus dem Gleichgewicht geraten, zu instabil, um ein Haus – und erst recht ein ganzes System – zu stützen. Das Durchlässige des Nebels verbindet Meises Säulen mit Markues’ zarten Aquarellen zwischen Text und Abstraktion. Beide Werkserien lassen sich als Versuche lesen, patriarchale Strukturen aufzubrechen und stattdessen dem Uneindeutigen Raum zu geben. Sowohl Markues als auch Meise beziehen sich auf die feministische Philosophin Luce Irigaray, die sich in ihren Texten mit männlichen Rollenbildern und der Möglichkeit einer weiblichen Gegensprache beschäftigt. Auf sie geht nicht nur der Ausstellungstitel – „Your Horizon Has Limits Even Holes“ — zurück, Irigaray saß auch für Michaela Meise Modell: Ihr Porträt entstand als Keramikrelief im ICE auf dem Weg nach Paris – im Dazwischen. Falls Mitte jedoch nicht auf Deiner Route liegt, schau doch in Moabit vorbei, bei Office Impart.

Werke von drei Künstlerinnen, die das diffuse Gefühl des „New Normal“ in Skulpturen, Objekten und Malerei fassen, sind aktuell im Hinterhof von Office Impart zu sehen. Boxen, wie man sie zum Abmessen von Handgepäck an Flughäfen findet, bilden den Ausgangspunkt für Lena Marie Emrichs neue Wandskulpturen: Das Hassobjekt der Vielflieger, das monatelang unberührt an Terminals stand, verwandelt sie in ein schimmerndes Objekt der Begierde, befreit vom Easyjet-Billigballast. Das Nachdenken über Geschwindigkeit und Entschleunigung verbindet Emrich mit Johanna Dumet, die in ihren Gemälden Farbflächen zu galoppierenden und weidenden Pferde arrangiert. Auch Hannah Sophie Dunkelbergbeherrscht das Spiel mit Materialität zwischen Comic und Meme: Die zweidimensionale Qualität der Malerei merkt man ihren Skulpturen an. Dunkelbergs überdimensionale Schleife, die im Eingangsbereich hängt, lässt sich als Aufforderung lesen: Seht diese Ausstellung als Geschenk, kommt herein und entpackt alle Schichten, die diese Künstlerinnen angelegt haben!

Text: Laura Storfner / Fotos: Thomas Love und Markues & Marjoire Brunet Plaza

Scherben, Leipziger Str.61, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
Markues und Michaela Meise: Your Horizon Has Limits Even Holes, bis 28.11.2021, Fr–So 11–18h und nach Vereinbarung

Office Impart, Waldenserstr.2–4, 10551 Berlin–Moabit; Stadtplan
Hannah Sophie Dunkelberg, Johanna Dumet, Lena Marie Emrich, bis 19.11.2021
Mi–Fr 15–18h, Timeslots können online oder per E-Mail gebucht werden.

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