VON TIEREN UND GEISTERN: JOCHEN LEMPERT, FARAH AL QASIMI UND DAIDŌ MORIYAMA IM C/O

VON TIEREN UND GEISTERN: JOCHEN LEMPERT, FARAH AL QASIMI UND DAIDŌ MORIYAMA IM C/O

Jochen Lempert sieht die Natur nicht aus der Distanz: Wann immer der Hamburger Fotograf Schmetterlinge, Kraniche, Rehe oder Blumenwiesen analog festhält, ist er ihnen ganz nah. In den Bildern des studierten Biologen tritt subjektive Annäherung vor dokumentarische Anonymität: Seit den Neunziger Jahren widmet Lempert der Tier- und Pflanzenwelt einfühlsame Porträts, die er mal körnig, mal zart in schwarz-weiß Schattierungen auf das Papier bringt. Endlich kann man seine Bilder auch in Berlin sehen, wo das C/O am Freitag (12.05.2023) zur Ausstellungseröffnung einlädt. Wie unmittelbar er Flora und Fauna abbildet, zeigt sich nicht zuletzt an seiner bisweilen experimentellen Arbeitsweise. Immer dann, wenn er Glühwürmchen durch seine Dunkelkammer schwirren oder Frösche über das Fotopapier hüpfen lässt, werden die Tiere zu direkten Kollaborateuren und Co-Autorinnen. Lempert, so fühlt man, ist einer, der mit Licht malt und voller Empathie auf unsere Umwelt schaut. Von Zeit zu Zeit findet er Szenen, die magisch wirken.

Das Übersinnliche beschäftigt auch die 1991 geborene Medienkünstlerin Farah Al Qasimi, die zwischen New York und Abu Dhabi pendelt. Inspiriert von Horrorfilmen der Siebziger- und Achtzigerjahre spürt sie für ihre erste Einzelausstellung in Europa bei C/O einem Poltergeist nach, der in opulenten Anwesen spukt. Entstanden sind Bilder, die wie Al Qasimi an keinen Ort gebunden sind, sondern primär der Frage nachgehen: Wie kann etwas festgehalten werden, das nicht greifbar ist? Das Wandern zwischen Kulturen ist auch dem Fotokünstler Daidō Moriyama nicht fremd. Er prägte die japanische Street-Photography maßgeblich, indem er ab den Siebzigern seine Kamera auf die richtete, die als nicht bildwürdig galten: auf Gelengenheitsgangster, Callgirls und jene, die am Rand der japanischen Gesellschaft ihr Leben fristeten. Moriyama findet für den Clash zwischen Tradition und westlichem Hyperkapitalismus Bilder, die fragil und fragmentiert von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erzählen. Alle drei Fotograf:innen, die das C/O bis September präsentiert, verbindet damit eins: ihre Neugier auf das, was vor ihnen liegt, und der ungeschönte Blick, mit dem sie es abbilden.

Text: Laura Storfner / Credit: Farah Al Qasimi. Courtesy of the artist and The Third Line, Dubai; Jochen Lempert/VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Courtesy ProjecteSD, Barcelona and BQ, Berlin; Daido Moriyama/Daido Moriyama Photo Foundation

C/O Berlin, Hardenbergstr.22–24, 10623 Berlin–Charlottenburg; Stadtplan
Eröffnung am 12.05.2023 ab 20h

Jochen Lempert: Lingering Sensations bis 07.09.2023 

Farah Al Qasimi: Poltergeist bis 07.09.2023 

Daido Moriyama: Retrospective bis 07.09.2023 

@coberlin

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