
Wie wäre die Welt, wenn nicht immer alle alles behaupten würden, sondern nur ein bisschen fragen würden? Ein bisschen forschen, ein bisschen anbieten und die Zwischentöne und den Diskurs u einfach mal aushalten? Klingt befreiend? Finde ich auch. Wie sich sowas konkret und ästhetisch herausfordernd anhören und -fühlen könnte, erkundet man dieser Tage am besten beim Poesiefestival Berlin. Noch bis zum 15. Juni 2025 findet dies in der ganzen Stadt statt, unter anderem in der Moabiter Division der Akademie der Künste und im Weddinger Silent Green, schon dieser ein Ort – ein ehemaliges Krematorium – ist das Architektur-gewordenen Aushalten der Widersprüchlichkeiten. Ein Raum des Flüchtigen. Über 150 Autor:innen, Performer:innen und Denkende aus aller Welt kommen hier zusammen. Eröffnet wird das Hauptfestival am Dienstag (03.06.) mit der Berliner Rede zur Poesie von Claudia Rankine unter dem Titel „Writing as Seeing“. Anschließend finden zahlreiche Poesiegespräche, Performances, das Zebra Poetry Film Festival und Themenabende wie „Writing Identities“ im Silent Green statt.
Highlights des Programms sind sicherlich die Lesungen im Grünen. Für das Abschlusswochenende am 14. und 15.06. kehrt das Festival wieder in die Akademie der Künste zurück: Am Samstag widmen sich unter dem Motto „Writing Sports“ verschiedene Lesungsformate der Verbindung zwischen Poesie und Sport sowie dem Format „Weltklang – Nacht der Poesie“ (15.06.), einer multilingualen Lesung, die zeigt, dass Gedichte keine Nationalsprachen brauchen, um zu treffen. Die Stimmen u. a. von Valzhyna Mort, Ghayath Almadhoun und Simone Atangana Bekono tragen das Uneindeutige ins Publikum. Das Format „Versschmuggel“ bringt Fremdes in Bewegung: Dichter:innenpaarungen aus verschiedenen Ländern übersetzen einander, tastend, manchmal tastlos, immer nach Nähe fühlend. Wer dann gerne ein Stück Festival mit nach Hause nehmen möchte, findet beim Lyrikmarkt im Hof handgeheftete Hefte, Gespräche im Grünen, Kinderlesungen und Poesie als Partikel für den Alltag. Wem das alles zu pathetisch klingt, sei beruhigt: Hier wird nichts behauptet – nur angeboten.
Text: Hilka Dirks / Fotos: Ricardo DeAratanha, Michael Kuchinke-Hofer / Still: Requiem for Eve, Anna-Maria Chernigovskaya
Poesiefestival Berlin bis 15.06.2025
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@hausfuerpoesie