AUF DER SONNENSEITE: NANCY HOLT IM GROPIUS BAU

AUF DER SONNENSEITE: NANCY HOLT IM GROPIUS BAU

Ihre Skulpturen sollten nicht bloß angesehen werden. Nancy Holt wollte, dass die Menschen mit ihnen die Umwelt und sich selbst neu sehen. In der Wüste von Utah installierte sie 1973 eine ihrer wohl bekanntesten Arbeiten, die diesem Prinzip folgt: Die „Sun Tunnels“, vier Röhren aus Beton mit drei Metern Durchmesser, rahmen den Sonnenaufgang und -untergang. Nachts scheinen durch Löcher im Baustoff Sternbilder so unmittelbar und nah, als könne man sie berühren. Für die Bewegung der Himmelskörper fand Holt so eine Darstellung, die gleichermaßen minimalistisch und poetisch ist – ohne kitschig zu wirken. Auch wenn man die Sonnentunnel im Gropius Bau nur als Studien erleben kann, führt das Museum eindrücklich vor, wie die Land-Art-Pionierin ihre Kunst immer wieder als Sehverstärker einsetzte. Das Museum zeichnet Holts fünf Jahrzehnte umspannende Karriere von den Anfängen in der konkreten Poesie über experimentelle Filme bis hin zu Installationen nach, die alle Raumgrenzen sprengen. Holt, die Biologie studiert und als Redakteurin gearbeitet hatte, verstand es, Text, Bild und Naturstudien leichtfüßig zusammenzuführen. Nicht selten arbeitete sie dabei mit Wissenschaftler:innen, Architekt:innen und Astronom:innen zusammen. Visuell zieht sich das Licht als Medium durch eine Vielzahl der Arbeiten: So auch bei Holts „Electrical System“ von 1982, das den gesamten Innenhof des Museums einnimmt.

Aus Glühbirnen und gewölbten Metallrohren kreierte Holt eine Lichtwiese, durch die Besucher:innen wandeln können. Was die Werke verbindet, ist die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Kosmos. Ihre Arbeiten fügen sich – trotz der gewaltigen Maßstäbe – sachte in Umgebung und Landschaft ein. Statt zu verdrängen, verstärkt Holt, was die Welt zusammenhält. Heute, zehn Jahre nach ihrem Tod, können ihre Land-Art-Erkundungen auch als Mahnmale gegen den Klimawandel gelesen werden: als Objekte, mit denen wir uns zur Welt ausrichten und unseren Platz in ihr suchen.  

Text: Laura Storfner / Credits: Holt/Smithson Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Courtesy: Sprüth Magers, Fotos: Luca Girardini

Gropius Bau, Niederkirchnerstr.7, 10963 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan

Nancy Holt: Circles of Light – Experimente mit Sound, Bild und Objekten 1966–1986 bis 21.07.2024

@gropiusbau

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