
Für die Fotoagentur Magnum war Christopher Anderson jahrelang in Konfliktzonen unterwegs. Er fand Bilder für das Leid und den Alltag anderer, bis er vor mehr als zehn Jahren ein sehr persönliches Projekt begann: Abseits des Weltgeschehens dokumentierte er, was sich in seinem Leben veränderte. 2008 wurde sein Sohn Atlas geboren, ungefähr zur selben Zeit erhielt sein Vater eine Lungenkrebsdiagnose. Die Auseinandersetzung mit Leben und Tod war auf einmal nicht mehr Teil einer Auftragsarbeit, sie fand in Andersons eigener Wohnung statt. In einfühlsamen Aufnahmen begann er, das Aufwachsen seines Sohnes einzufangen. Nichts an den Bildern, die er später unter dem Titel „Son“ als Buch veröffentlichte, war geplant oder gestellt. Fragt man Anderson, sagt er schlicht, die Fotos sind so „geschehen“: Man sieht den kleinen Atlas, wie er aus einer beschlagenen Duschkabine herausschaut oder mürrisch auf einem Dreirad sitzt. Die besondere Verbundenheit, die Eltern zu ihren Kindern spüren, übersetzt Anderson in sonnendurchflutete Fotografien ohne jeden Kitsch.
Diese Magie des Alltäglichen liegt auch in seinem zweiten Buch-Projekt: „Pia“ stellt Andersons jüngere Tochter in den Mittelpunkt. Auch hier gelingt Anderson ein Liebesbrief in Bildern an sein Kind – ein Mädchen, das aus ernsten Augen unter einem Pagenschnitt zu Betrachtenden schaut. Wir sehen Pia fragend auf einem Balkon in Paris, sehen, wie sie auf den Straßen spielt, in der Sonne liegt, wie sie Kind sein darf. Seinen Abschluss findet Andersons Familiengeschichte nun mit einer Ausstellung bei Robert Morat, der die verschiedenen Teile im Rahmen der Berlin Photo Week zusammenführt. In der Galerie gibt es auch einen ersten Einblick in Andersons letztes Kapitel, das im November als Buch erscheinen soll: „Marion“ ist seiner Frau gewidmet und fragt, wie sich Liebe weiterentwickelt, wenn aus einem Paar eine Familie wird.
Text: Laura Storfner / Fotos: Christopher Anderson / Credit: Robert Morat Galerie, Berlin
Family Trilogy. Christopher Anderson in der Robert Morat Galerie, Linienstr.107, 10115 Berlin–Mitte; Stadtplan
Bis 15.10.2022 Di–Sa 12–18h, Eröffnung 03.09.2022 18–21h
@robertmorat