Ich kenne ein Kino, bei dem einfach alles stimmt: die Location, die Architektur, die handgemalten Plakaten an der Fassade, die schweren roten Samtvorhänge, die Bar im Foyer und selbstverständlich das herausragende Filmprogramm. Unzählige Stunden habe ich hier in den wunderbaren Kinosesseln schon verbracht – und je nach Film und Stimmung danach sehr lange an der Bar im Foyer. Die Rede ist vom legendären Kino International. Jetzt feiert diese Ikone ihren 60. Geburtstag mit einem ausgiebigen Programm, aber dazu unten mehr! Erst mal drehen wir kurz die Zeit zurück: Es ist der 15. November 1963. Die Mauer trennt (seit zwei Jahren) Berlin in Ost und West. Das Kino International eröffnet als erstes Premierenkino der damaligen DDR seine Pforten. Mit seiner Formgebung, Materialwahl und den Proportionen gehört das Haus zu den gelungensten Kinoneubauten der Nachkriegszeit. Hier feierten die neuesten DEFA-Filme ihre Uraufführung, darunter Konrad Wolfs „Solo Sunny“. Geplant wurde es von den Architekten Josef Kaiser und Heinz Aust als dreigeschossiger Stahlbetonskelettbau, verkleidet mit hellem Sandstein. Charakteristisch für das Filmtheater sind der über das Erdgeschoss herauskragende Kinosaal mit großzügigem Foyer – stützenfrei und neun Meter über dem Erdgeschoss mit großer offener Glasfläche zur Karl-Marx-Allee.
Das repräsentative Gebäude wurde für die multifunktionale Nutzung geplant: Im Foyer fanden Bälle statt, Rockkonzerte, politische Kundgebungen – sogar Frisurenwettbewerbe. Was weniger bekannt ist: Schon vor der Wende war das Kino International ein Fenster zur Welt und zeigte ausgewählte westliche Produktionen wie „Cabaret“ oder „Jenseits von Afrika“. Der Film „Dirty Dancing“ lief 1987 in sechs Vorstellungen täglich und war über Wochen hinweg ausverkauft. Am 9. November 1989 fand die Premiere von „Coming Out“ statt, dem ersten queeren Film der ehemaligen DDR. Für die Gäste war das ein doppelt bewegendes Ereignis, wie sich im Anschluss herausstellte. Als der Vorhang fiel, war auch die Mauer zwischen Ost und West gefallen. 1990 wurde das Kino in die Denkmalliste der Stadt Berlin aufgenommen. Das war womöglich seine Rettung: Seit 1992 gehört das Kino zur Yorck-Kinogruppe und ist bis heute ein Ort der Offenheit und des Austauschs. Und so wird auch dieser Geburtstag gefeiert: Ein üppiges Programm begleitet die Feierlichkeiten bis zur Schließung des Filmtheaters im Frühjahr 2024 – für eine kurze denkmalgerechte Generalsanierung vom Keller bis zum Dach. Mein Highlight ist der Tag der offenen Tür (19.11.) mit der Aufführung meiner Lieblings-DEFA-Klassiker: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Die Legende von Paul und Paula“ und „Spur der Steine“. Architektonische Backstage-Führungen (19.11.) ermöglichen den Blick hinter die Kulissen. Jeden Sonntag – für die nächsten drei Monate – wird ein Film aufgeführt, der sich überwiegend mit der deutsch-deutschen Vergangenheit beschäftigt: Filme wie das Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ oder die Tragikomödie „Good Bye, Lenin!“ gehören zu den erfolgreichsten Filmen der deutschen Nachwende-Geschichte. Eine Fotoausstellung zur Geschichte des Hauses begleitet die Feierlichkeiten. Alles, was da noch zu sagen bleibt: Happy Birthday, Kino International!
Text: Milena Kalojanov / Fotos: Daniel Horn / Credit: Yorck Kinogruppe
Kino International, Karl-Marx-Allee 33, Berlin–Mitte; Stadtplan
Sonderprogramm zu den Feierlichkeiten zum 60. Jubiläum. Anmeldungen zu den architektonischen Führungen am 19.11. unter denkmal@yorck.de.
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