Im Sommer ließ die Künstlerin Yael Bartana drei Performerinnen am Ufer des Wannsees tanzen. Das Ergebnis ist nun in der Galerie Wannsee Contemporary zu sehen: In weißen Kleidern, die Gesichter hinter Tiermasken verborgen, wirken die drei Frauen wie Fabelwesen — wie Botinnen aus einer anderen Zeit. In gewisser Weise transportieren sie auch ein Stück Vergangenheit: Denn ihre Tanzbewegungen folgen einer Choreografie des Ungarn Rudolf von Laban, der vor bald hundert Jahren ein Institut für Tanz im Grunewald eröffnete. Bartana, bekannt dafür, in den Schichten der Vergangenheit alternative Erzählungen freizulegen, blickt in der Galerie aber auch in die Zukunft. Im Schaufenster hat sie eine Collage angebracht, die einen Kupferstich des Franzosen Gustave Dorés umdeutet: Statt zu Christus beten die Menschen zu einem Raumschiff um Erlösung. Angesichts des Wettlaufs ins Weltall, den sich Milliardäre wie Bezos und Musk liefern, wird das Phantastische der Szene seltsam real. Für das Surreale interessiert sich dagegen Leiko Ikemura im Georg Kolbe Museum: Das ehemalige Atelierhaus im Westend hat die Künstlerin in einen Hort für Märchengestalten und Mischwesen verwandelt.
Am Eingang heißt eine überdimensionale Bronzeskulptur – halb Frau, halb Hase – die Besucher:innen willkommen. Ihr durchlöcherter Rock ist gerade so weit, dass sich ein Kind darunter verstecken könnte. Hybride Wesen und Talismane bevölkern auch die übrigen Ausstellungsräume. Da sind zauberhafte Kopffiguren aus mattem Glas, aus denen Bäume sprießen und Keramiken, die zwischen Katze und Mann changieren. Die Ausstellung hat Ikemura den “Witty Witches”, gewitzten Hexen gewidmet: den rebellischen Schutzgöttinnen, die den Wandel der Welt begleiten. Das subversive Potenzial des Weiblichen ist auch der Künstlerin Margaret Raspé nicht fremd. Dem Haus am Waldsee ist mit der Ehrung der bald 90-Jährigen eine grandiose Entdeckung gelungen. Denn statt in die Fantasie zu flüchten, arbeitete Raspé stets mit dem, was vor ihr lag: ihrem Alltag als Hausfrau und Mutter. Eindrucksvolles Zeugnis sind ihre Videoarbeiten aus den Siebzigern, in denen sie sich mit einem selbst gebauten Kamerahelm beim Abspülen, Kochen und Backen filmte. Aber nicht nur als Videopionierin thematisierte Raspé die damals gängige Trennung zwischen männlicher und weiblicher Sphäre: Auch in Fotoserien und Installationen geht sie spielerisch Rollenbildern und patriarchalen Strukturen auf den Grund. So endet eine ihrer reduzierten Textarbeiten lakonisch mit der Frage, die sich Hausfrauen jahrzehntelang von ihren Männern anhören mussten: „Was hast Du den ganzen Tag getan?“ In Raspés Fall war die Antwort ganz einfach: „gearbeitet“.
Text: Laura Storfner / Credit: Yael Bartana exhibition view / Foto: Jens Ziehe; Heiner Ranke; Leiko Ikemura exhibition view / Foto: Enric Duch
Wannsee Contemporary, Chausseestr.46, 14109 Berlin–Wannsee; Stadtplan
Yael Bartana: Rehearsal for Redemption, bis 22.04.2023 Fr & Sa 14–18h, So 14–16h
Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, 14055 Berlin–Westend; Stadtplan
Leiko Ikemura: Witty Witches, bis 01.05.2023 Mi–Mo 11–18h
Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin-Zehlendorf; Stadtplan
Margaret Raspé: Automatik, bis 29.05.2023 Di–So 11–18h