GEISTER DER VERGANGENHEIT: DER ERFOLGSROMAN „DSCHINNS“ AUF DER BÜHNE IM GORKI-THEATER

GEISTER DER VERGANGENHEIT: DER ERFOLGSROMAN „DSCHINNS“ AUF DER BÜHNE IM GORKI-THEATER

In den Siebzigern kam Hüseyin – die indirekte Hauptfigur in Fatma Aydemirs Roman „Dschinns“ – als Gastarbeiter aus einem kurdischen Dorf nach Deutschland. Dreißig Jahre später kehrt er in die Türkei zurück, um mit seinem hart verdienten Geld eine Eigentumswohnung in Istanbul zu kaufen. Doch erfreuen kann er sich daran nicht: Am Tag des Einzugs stirbt er an einem Herzinfarkt. Und mit ihm stirbt das Schweigen in seiner Familie. Der plötzliche Tod zwingt die Zurückgebliebenen, zusammen zu kommen und über das eigene Leben, Verlust und Trauer zu sprechen. Aydemir beschwört in „Dschinns“ die Geister der Vergangenheit herauf. Sie erzählt einfühlsam und voller Wucht aus den Perspektiven der Angehörigen von der Zerrissenheit zwischen Deutschland und der Türkei – zwei Ländern, die beide nicht so recht als Heimat taugen wollen. Nurkan Erpulat und Johannes Kirsten haben die vielschichtige Geschichte nun als Bühnenfassung ans Gorki-Theater gebracht. Es ist ein Abend, der große Bilder für die großen Fragen des Lebens findet: Wo kommen wir her? Wo wollen wir hin? Wer wollen wir sein und was können wir verzeihen?

Besonders Çiğdem Teke überzeugt als ältere Tochter Sevda, die nach Jahren des Kontaktabbruchs wieder auf ihre Familie trifft – nur um festzustellen, dass sie mehr mit ihrer eigenen Mutter verbindet, als gedacht. Ihre Wut wird immer wieder von den sanft-melancholischen Gesängen Anthony Hüseyins aufgebrochen. Die zarten Melodien erlauben den Figuren, trotz all ihrer Verzweiflung und Rastlosigkeit, Momente des Glücks. Am 28. Mai wird „Dschinns“ im Rahmen des Festivals „Gezi – Ten Years After“ gezeigt, das anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Gezi-Proteste nach den aktuellen politischen Umbrüchen in der Türkei fragt. Im Anschluss an die Vorstellung lädt das Gorki-Theater zu einem Gespräch mit dem Ensemble und den Dramaturgen ein. Dann kann man gemeinsam überlegen, welche Dschinns das eigene Leben bevölkern. Denn die Dschinns sind, wie die jüngere Schwester Peri im Stück sagt: „Die Wahrheiten, die immer da sind, die immer im Raum stehen, ob man will oder nicht, aber die man nicht ausspricht, in der Hoffnung dass sie einen dann in Ruhe lassen.“

Text: Laura Storfner / Fotos: Ute Langkafel MAIFOTO

Maxim Gorki Theater, Am Festungsgraben 2, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan

Dschinns, 28.05.2023 im Rahmen des Festivals Gezi – Ten Years After 27.05.–30.06.2023. Schau auf der Website des Gorki nach weiteren Vorstellungen.

@maxim_gorki_theater

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