Dicht drücken sich die Farben auf die Leinwand, eng und laut. Ganz wild sind sie und aufgeregt und dabei doch sanft und neugierig. Den Maler vom Werk zu trennen fällt bei Ál Varo Tavares d’Guilherme besonders schwer. Neo Brut nennt der 1992 in Angola geborene Künstler seinen distinktiven malerischen Stil in Anlehnung einer Neuinterpretation des Art Brut – die Kunst der Autodidakten und Outsider, der Genrebegriff etabliert von einem ganz großen unter den Freigeistern, dem Giganten Jean Dubuffet. Morgen (27.10.23) eröffnet Ál Varo Tavares d’Guilhermes erste große Berliner Einzelausstellung in der Galerie Dittrich & Schlechtriem in Mittes Linienstraße. Ein guter Griff für die Zeit, in der die Tage immer kürzer werden: wie Licht die Motten ziehen d’Guilhermes ölig-massive Farben die neugierigen Passant:innen ins erleuchtete Souterrain der Ausstellungsräume, saugen die Betrachtenden ein in zerbrochene Motive und wilde Striche. Es ist die Stadt, das Leben – auch das stille – und vielleicht das Leiden, was sich da auf den Leinwänden ausbreitet, verschmiert, abgrenzt. D’Guilherme schöpft aus dem Vollen, aus der Erfahrung und dem Gefühl. Die Arbeiten entziehen sich der Deutung, der Konvention und der Erwartung, stattdessen werfen sie sich in die Welt mit solcher Wucht, dass sie noch lange hinter den geschlossenen Augenlidern nachhallen. „No church wild“ heißt die Ausstellung, die noch bis zum 09.12.2023 zu sehen sein wird. Und vielleicht kommt man nach dem Besuch zu dem Schluss, dass man manchmal den Maler vom Werk gar nicht trennen muss.
Text: Hilka Dirks / Fotos: Jens Ziehe / Credit: Ál Varo Tavares d’Guilherme
Dittrich & Schlechtriem, Linienstr.23, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan
Ál Varo Tavares d’Guilherme „No church wild“ bis 09.12.2023 Mo–Sa 11–18h. Eröffnung 27.10.2023 18–20h.
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