MAXIMALER MINIMALISMUS: CHARLOTTE POSENENSKE IM ZENTRUM FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST CCA

MAXIMALER MINIMALISMUS: CHARLOTTE POSENENSKE IM ZENTRUM FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST CCA

Von außen wirkt es, als wäre der Raum noch eine Baustelle. So, als müssten die Lüftungsrohre und Kaminschächte, die auf dem Boden verteilt stehen, noch verbaut werden. Dieser Vergleich hätte die Konzeptkünstlerin Charlotte Posenenske, der das neue Zentrum für zeitgenössische Kunst CCA die erste Ausstellung widmet, vermutlich gefreut. Ihre „Vierkantrohre Serie D“ von 1967, ein modularer Bausatz aus blechernen Hohlkörpern, die frei zu immer neuen Figurationen zusammengesetzt werden können, steht sinnbildlich für ihre kurze, 12 Jahre umfassende Schaffensphase als Künstlerin. Posenenske arbeitete bewusst mit industriellem Material und sehnte sich danach, Objekte zu schaffen, die wenig an Kunst erinnern. Indem sie mit ihrer Serie nicht nur die finale Gestaltung des Werkes an Kurator:innen und Publikum abgab, sondern veranlasste, die Bausätze unlimitiert – auch nach ihrem Tod – zu reproduzieren, stellte sie zentrale Grundsätze des Kunstmarkts infrage: die Bedeutung von Autor:innenschaft und Wertsteigerung.

Doch egal, wie sehr sie ihr Gegenüber und den Markt herausforderte, für sie selbst war es nicht genug. Angesichts der politischen Entwicklungen vom Prager Frühling bis zum Vietnamkrieg notierte sie 1968 in der Kunstzeitschrift Art International: „Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden, dass Kunst nicht zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen kann.“ Im selben Jahr, im Alter von 38 Jahren, entschied sich Posenenske für den Rückzug aus der Kunstwelt, sie studierte Soziologie, begann als Sozialwissenschaftlerin zu arbeiten und stellte bis zu ihrem Tod 1985 nicht mehr aus. Auch wenn Posenenske selbst am impulsgebenden Potenzial ihrer Kunst zweifelte, so wird ihr Werk spätestens seit der Documenta von 2007 in diesem Licht wiederentdeckt. Ihre radikale Reduziertheit bringt Menschen zusammen und bewirkt eine neue Wahrnehmung von Räumen. Das Team hinter CCA – der Gründer Fabian Schöneich und die Kurator:innen Sandra Teitge und Edwin Nasr – hätten sich wahrscheinlich keine bessere Arbeit aussuchen können, um ihren neuen Ort für Gegenwartskunst, der Austausch und Diskurs fördern will, einzuweihen.

Text: Laura Storfner / Fotos: Diana Pfammatter / Credit: CCA Berlin – Center for Contemporary Arts

CCA – Center for Contemporary Arts, Kurfürstenstr.145, 10785 Berlin–Tiergarten; Stadtplan
Charlotte Posenenske, Vierkantrohre Serie D, bis 06.03.2022, Do–Sa 11–18h
Online–Screening Programm: Francis Alÿs, Patty Chang, Yvonne Rainer und Shirin Sabahi, 28.02.–06.03.2022

@ccaberlin

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