Moqueca kommt aus dem Norden Brasiliens und gilt dort als Nationalgericht. Für das brasilianisch-deutsche Künstler-Duo Po:era ist es damit ein Sinnbild für jene Kulturen, Glaubenssätzen und Ideen, die durch Christentum, Kapitalismus und technischen Fortschritt verschlungen wurden und bis zum heutigen Tag dominiert werden. Ein traditioneller Eintopf, dessen Zutaten je nach Region varieren, wird so gleichzeitig zum Titel und Ausgangspunkt eines Audiowalks durch Mitte, der mit einem gemeinsamen Moqueca-Essen am Rosenthaler Platz endet. Hier ist seit nun bereits zehn Jahren der Acker Stadt Palast zu finden: In den 1990er-Jahre besetzten Kulturschaffende die ehemalige Schokoladenfabrik. Nach jahrelangem Kampf konnte mit Hilfe des Berliner Senats 2012 eine feste Spielstätte entstehen – und somit ein Ort der freien Szene, an dem zeitgenössisches auf experimentelles Theater, Newcomer:innen auf etablierte Künster:innen, Musik und Tanz auf Performances treffen. Grund genug zu feiern: Nach knapp drei Jahren pandemiebedingter Distanz steht beim Público Festival (07.–18.12.2022) – genau zehn Tage lang – eben jenes im Mittelpunkt. Auf dem Spielplan stehen Projekte, die Zuschauende mit allen Sinnen einbeziehen, sie zu Akteur:innen machen.
Für die Reihe #share-Interfrenez treffen an sechs Abenden jeweils ein:e Tanzakteur:inn und ein:e Echtzeitkomponist:in in Blinddates für Miniaturen aufeinander, während welcher das Publikum gleichzeitig als Chor und als Dirigent:in agiert. Regisseur und Performer David Weber-Krebs erforscht mit „Tonight, lights out!“ das Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität, das in einem festgelegten Moment entstehen kann: Mit Glühbirnen verkabelt bereitet er sein Publikum – angelehnt an einen BILD-Artikel aus dem Jahr 2007, in dem Leser:innen zum gemeinsamen Protest gegen den Klimawandel aufgefordert wurden – auf den Zeitpunkt vor, an dem alle gleichzeitig das Licht im Saal ausstellen. Katharina von Wilckes „Language & Art Lovers“ macht den Titel zum Programm: Nach dem Besuch der Vorstellung werden Teilnehmende mit unterschiedlichen Sprachhintergründen in Tandems zusammengebracht, um sich auf Deutsch, Englisch, Portugiesisch und Spanisch über Gesehenes zu unterhalten. Ein Ansatz, der sich zehn Tage lang genauso fortsetzt – Angst vor dem Durchbrechen der vierten Wand solltest Du also nicht mitbringen.
Text: Hanna Komornitzyk / Fotos: Gianluca la Bruna & Nadia Zgank / Grafik: Público Festival & Grupppo
Público Festival vom 07.–18.12.2022 im Acker Stadt Palast, Ackerstr.169/170, 10115 Berlin–Mitte; Stadtplan
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