Auf den ersten Blick mag man kaum glauben, dass diese Bilder nur wenige Kilometer von Berlin entfernt entstanden sind. So außerweltlich wirken die Szenen, die der Fotograf Hans-Christian Schink für seine neue Serie eingefangen hat. Einen Sommer lang zog es ihn zu verschiedenen Gewässern in Mecklenburg-Vorpommern, in denen er knapp unter der Wasseroberfläche übernatürliche Landschaften entdeckte. Die Aufnahmen überließ er dem Zufall: Ohne zu tauchen und das Bild vorab im Sucher zu überprüfen, drückte er ab. In den so entstandenen Bildern eröffnet sich hinter dichten Schwaden aus aufgewirbeltem Sediment und verwunschenen Unterwassergärten im Schilf eine eigene Welt. Mal ist das wuchernde Dickicht klar erkennbar, mal weicht das Wasser abstrakten Farbwolken. Eintauchen kannst Du in dieses Universum aktuell in der Galerie Kicken: Seite an Seite ergeben die Aufnahmen ein Atlantis, das außerhalb von Raum und Zeit existiert und doch direkt vor unserer Haustür liegt.
Schinks Farbpalette aus giftigem Grün, kühlem Türkis und trübem Ocker scheint dabei wie gemacht für die herrschaftlichen Ausstellungsräume – fast so, als würden die Unterwasserwelten mit ihren Algen in die holzvertäfelten Wände und stuckverzierten Decken ausgreifen. Schink, der in seinen Arbeiten immer wieder die Schwelle zwischen Natur und Zivilisation untersucht, stellt auch mit „Unter Wasser“ Fragen an das Anthropozän: Bei seinen Schauplätzen handelt es sich meist um sogenannte Sölle – Überreste der letzten Eiszeit, die den Übergang zum Leben, wie wir es heute kennen, markieren. Durch die Landwirtschaft wurden viele der Biotope trockengelegt. Wie lange die Übrigen noch erhalten bleiben, liegt in unserer Hand. Denn der Klimawandel wirkt auch hier, unter der Wasseroberfläche.
Text: Laura Storfner / Fotos: Hans-Christian Schink, Kicken Berlin
Galerie Kicken, Kaiserdamm 118, 14057 Berlin–Charlottenburg; Stadtplan
Hans-Christian Schink: Unter Wasser, bis 22.04.2022, Di–Fr 14–18h und nach Vereinbarung.
@kickenberlin
