Das wechselseitige Verhältnis zwischen Mensch und Natur hat den Künstler Julius von Bismarck schon immer beschäftigt. In seiner neuen Ausstellung, mit der die Berlinische Galerie heute nach dreimonatiger Schließung aufgrund von Umbauarbeiten wieder eröffnet, verbindet er seine Naturstudien erstmals mit biografischen Fragen: Ein mit Zeichnungen einer Wasseroberfläche versehenes, überdimensionales Tuch, führt die Besucher:innen in die Schau hinein. Es zeigt die sogenannte Bismarcksee im Pazifischen Ozean und versinnbildlicht nicht nur, welch weite Kreise Bismarcks Familiengeschichte in der deutschen Kolonialvergangenheit zieht. Auch der Klimawandel und seine Folgen sind in der Arbeit allgegenwärtig spürbar. Mit der kolonialen Praktik des Herbariums setzt sich seine neue Serie „I like the flowers“ auseinander, in der getrocknete, gepresste Pflanzen als Skulptur den Raum bestimmen. Die Arbeit erinnert an Zimmerpflanzen, mit denen wir unsere Wohnungen dekorieren. Sie ist zudem als Kommentar auf die exotisierende Darstellung, mit der manche Orte dieser Welt zu Sehnsuchtsorten stilisiert werden, zu verstehen.
Das Herzstück der Ausstellung bildet eine lebensgroße Giraffe und eine verkleinerte Version des Bremer Reiterstandbilds von Otto von Bismarck. Wie bei dem Kinderspielzeug der Drückfigur sind beide Figuren aus einzelnen Gliedern zusammengesetzt, die es erlauben, dass die Figuren in sich zusammenfallen und wieder aufrichten. Alle Arbeiten verbindet somit die Frage, wie der Mensch mit der Natur umgeht, welche Pflanzen, Tiere und Erdteile er als schützenswert betrachtet und welche nicht. Bismarck liefert uns mit seiner Ausstellung erfrischende Denkanstöße, die einen kritischen Blick auf das Anthropozän erlauben, ohne zu belehren – immer darauf bedacht, dass es am Ende die Natur ist, die die Oberhand behält.
Text: Laura Storfner / Credit: Julius von Bismarck; alexander levy, Berlin, and Sies + Höke, Düsseldorf, VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Alte Jakobstr.124-128, 10969 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
„Julius von Bismarck: When Platitudes Become Form“ 26.05.–14.08.2023 Mi–Mo 10–18h. Eintritt 10 Euro / 6 Euro ermäßigt.
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