Seitdem sie 16 Jahre alt ist, setzt die Libanesin Myriam Boulos auf ihre Kamera, um der Realität ein Stückchen näherzukommen. Sie fotografiert den Alltag ihrer Freund:innen in Beirut: Während vor den Fenstern 2019 die Revolution beginnt, hält sie die stillen Momente im Inneren, zwischen Ruinen und Demonstrationen, fest. Auf der Suche nach Nähe und Freiräumen arbeitet sie heute als Fotografin für die renommierte Agentur Magnum. Bei C/O Berlin hängen Boulos‘ tagebuchartige Aufnahmen nun als Teil der Ausstellung „Close Enough“ neben Werken von elf weiteren Magnum-Fotografinnen. In einem Langzeitprojekt begleitete Alessandra Sanguinetti über Jahrzehnte hinweg zwei Mädchen im ländlichen Argentinien mit ihrer Kamera. Carolyn Drake rückt in ihrer Serie „Men Untitled“ männlichen Modelle auf der Suche nach neuen Bildern von Maskulinität direkt in den Fokus. Erstmals wurde die Schau 2022 in New York zum 75-jährigen Bestehen der Agentur ausgestellt. Das C/O Berlin nimmt den eigenen 25. Geburtstag zum Anlass, das Konzept leicht verändert nach Berlin zu bringen.
Ausgehend von der Aussage des Kriegsreporters Robert Capa, „If your pictures aren’t good enough, you’re not close enough“, loten zwölf Perspektiven aus, wie viel Nähe im dokumentarischen Blick liegen darf. Wie viel Vertrautheit, wie viel Distanz braucht das Verhältnis zwischen Bildurheberin und Motiv? Danach kann man Carolyn Drake persönlich am 18.11.2025 fragen, wenn sie zusammen mit ihrer Kollegin Bieke Depoorters bei C/O Berlin zu Gast ist und Einblicke in ihre Arbeitsweisen und die aus den Projekten hervorgegangen Fotobüchern gibt. Das Wechselspiel von Nähe und dokumentarischer Distanz zieht sich auch durch die von Mubi eigens für die Ausstellung kuratierte Filmreihe. Am 22.11. findet die „Mubi Night at C/O Berlin“ statt. Als Highlight des Abends wird der ikonische Film „Working Girls“ (1986) von Lizzie Borden gezeigt – Teil der Filmreihe „Close Enough: Perspektiven von Filmemacherinnen„. Der Film begleitet Sexarbeiter:innen durch ihren Alltag und begegnet ihnen dabei mit Zugewandtheit und Menschlichkeit – fern von Voyeurismus und Naivität. Zusätzlich bleibt die Ausstellung bis 24h bei freiem Eintritt geöffnet. Die ersten Besucher:innen erhalten ein besonderes Giveaway und einen kostenlosen Drink. Für die musikalische Begleitung sorgt Natalie Robinson mit ihrem DJ-Set. Sowohl Bordens Ansatz, als auch die Haltung ihrer Protagonist:innen könnten den Kern von „Close Enough“ nicht eindrücklicher auf den Punkt bringen. Emotionale Grenzen verlaufen unsichtbar auch dort, wo auf den ersten Blick kein Platz für Distanz ist.
Text: Laura Storfner / Credits: The Necklace, 1999 © Alessandra Sanguinetti/Magnum Photos; A plane flying low over students at an amusemenet park, Istanbul, Turkey, 2018 © Sabiha Çimen/Magnum Photos; David von Becker
C/O Berlin, Hardenbergstr.22–24, 10623 Berlin–Charlottenburg; Stadtplan
Close Enough – Perspectives by Women Photographers of Magnum bis 28.01.2026
Talking Books Expanded mit Bieke Depoorter & Carolyn Drake 18.11.2025 18–20h. Weitere Termine am 03.12.2025 mit Lúa Ribeira und 22.01.2026 mit Myriam Boulos & Olivia Arthur.
Mubi Night at C/O Berlin 22.11.2025 18–00h. Eintritt frei.
Film Screening von Working Girls: 18–19h30 (Anmeldung geschlossen, Restplätze ggf. vor Ort), DJ-Set ab 20h mit Natalie Robinson.
@coberlin


