
Was verbindet Friedl Dicker und Maria Luiko? Beide waren erfolgreiche, jüdische Künstlerinnen, die zu den angesehensten Talenten der 1920er und 1930er Jahre gehörten. Dicker wurde in Wien geboren und studierte am Bauhaus in Weimar, bevor sie sich als Innenarchitektin einen Namen machte. Luiko stammte aus München und stellte dort regelmäßig als Künstlerin aus: Ihr Schaffen war vielfältig — sie illustrierte Bücher für den Schriftsteller Ernst Toller und entwarf Marionetten fürs Theater. Heute sind sie nur noch wenigen bekannt: Ihre Leben und ihre Karrieren fanden durch die Nationalsozialisten ein Ende. Dicker wurde im KZ Auschwitz ermordert, Luiko im Fort IX von Kaunas. Das Jüdische Museum Berlin erinnert nun in einer umfassenden Gruppenausstellung an die beiden und über 60 andere jüdische Kunsthandwerker:innen, Designer:innen und Maler:innen, die als Pionier:innen in ihren Disziplinen den Weg für nachfolgende Generationen bereiteten.
So legte die Silberschmiedin Emmy Roth als eine der ersten Frauen* in Deutschland in ihrem männerdominierten Feld die Meisterprüfung ab. Ihre Tee- und Kaffeekannen sind so elegant wie minimalistisch, dass sie heute noch in Berliner Cafés zum Einsatz kommen könnten. Die Kinderbuchautorin und Malerin Tom Seidmann-Freud, eine Nichte des Psychologen Sigmund Freud, gehörte zur schillernden Künstler:innenszene rund um das Romanische Café in Charlottenburg und gestaltete Märchen so expressionistisch, dass sie bis heute auch Erwachsene begeistern. Ihre Lebenswege zeichnet die Kuratorin Michal Friedlander mit Blick für Details und Kenntnisreichtum nach. Wir lernen Frauen kennen, die gegen gesellschaftliche Konventionen ankämpften, sich politisch engagierten und unbeirrt ihre Kunst und Lebensträume verfolgten. Neben namhaften Positionen wie Textilkünstlerin und Bauhaus-Lehrerin Anni Albers sind es vor allem die Frauen* der sogenannten „verschollenen Generation“, die man ab heute (10.07) um 17 Uhr im Jüdischen Museum Berlin bei Musik von den Balagan Sisters wiederentdecken kann. Damit Namen wie Friedl Dicker und Maria Luiko in Zukunft keine Unbekannten bleiben.
Text: Laura Storfner / Fotos: Jens Ziehe / Credit: Emmy Roth, Kaffee- und Teeservice, Berlin 1931, Silber, getrieben; Horn; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2010/143/0; Western Regional Archives, State Archives of North Carolina; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Jüdisches Museum Berlin, Lindenstr.9-14, 10969 Berlin–Kreuzberg: Stadtplan
„Widerstände. Jüdische Designerinnen der Moderne“ 11.07.–23.11.2025. Eröffnung am Do 10.07. ab 19h (Ausstellungsbesuch ab 17h), kostenloser Eintritt am Eröffnungsabend.
@juedischesmuseumberlin