WAS WENN DIE SPREE EIN RIFF WÄRE? — MATERIALITÄT NEU ENTDECKEN UND ZUKUNFT GESTALTEN BEIM MATTER FESTIVAL

WAS WENN DIE SPREE EIN RIFF WÄRE? — MATERIALITÄT NEU ENTDECKEN UND ZUKUNFT GESTALTEN BEIM MATTER FESTIVAL

Die besten Festivals sind bekanntlich die, die den ganzen Sommer dauern und ohne Kater in Erinnerung bleiben. Das interdisziplinäre „__matter Festival 2025“ ist genau so eins. Bis Oktober verwandelt es Berlin in ein Labor der Materialkultur zwischen Wissenschaft, Kunst und Design. Initiiert vom Exzellenzcluster „Matters of Activity“ der Humboldt-Universität zu Berlin rückt die Veranstaltungsreihe tatsächlich Materialien in den Vordergrund. Was im ersten Moment ein bisschen abstrakt klingt, ist tatsächlich weiter gedacht und deutlich relevanter, als man zuerst meinen könnte – geht es doch schließlich um nichts weniger, als unsere ökologische, soziale und gestalterische Zukunft. Elf Ausstellungen, ein dichtes Eventprogramm, zwölf Orte – von Art Laboratory Berlin bis zum Späth-Arboretum, vom Kunstgewerbemuseum bis zum Silent Green Kulturquartier. Über 70 Forscher:innen aus rund 40 Disziplinen bringen ihre Expertise ein, um das Verhältnis von Natur und Kultur, Biologie und Technik, Symbolik und Stofflichkeit neu zu denken. Beispielsweise taucht im Re:future Lab Rasa Weber mit „What if the Ocean Were a City?“ in die Tiefe der Spree. Ihr Projekt „Syntopolis“ ist ein immersives Riff, das den Raum in ein urbanes Unterwasserhabitat verwandelt. Im wahrsten Sinne verschwimmen hier die Grenzen: zwischen Stadt und Ozean, Mensch und mehr-als-menschlicher Gemeinschaft. Was, wenn die Spree ein Riff wäre?

Wie sähe unser Zusammenleben aus, wenn wir die Perspektive wechseln? Das kann man auch im Späth-Arboretum ergründen, diesem fantastischen geheimen Ort im Süden Neuköllns. Dort lädt die Reihe „Vegetal Companions“ dazu ein, Pflanzen und Bäume als eigenständige Akteure zu erleben. Das Kollektiv der Pflanzen wird zur Inspirationsquelle für neue Formen des Wissens: Boden als Archiv, Philosophie als Gärtnern, Kunst als Forschung. Hier wird der Mensch nicht als Beherrscher der Natur, sondern als Teil eines vielstimmigen Ökosystems verstanden. Auch „Fermenting Textiles“ im Art Laboratory Berlin verwebt Anthropologie, Mikrobiologie und Kunst zu einer multisensorischen Erfahrung. Textilien werden in Schlamm und Pflanzenmaterial fermentiert, der Prozess sichtbar gemacht – ein Sinnbild für die Zusammenarbeit von Spezies, Disziplinen und Traditionen. Das Festival ist ein Plädoyer für das Analoge im digitalen Zeitalter: Materialien werden nicht länger als passive Träger verstanden, sondern als aktive, formende Kräfte, die unsere Welt gestalten. Wir sind aufgefordert Materialität neu zu denken – als etwas, das verbindet, transformiert und Zukunft schreibt. Und was kann befriedigender sein, als kluge Gedanken und neue Perspektiven auf die Welt – einen ganzen Sommer lang.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Mathieu Kelhetter; Musée national d’historie Luxembourg; Aubin Woehrel

__matter Festival 2025

Das ganze Programm und alle Orte gibt es hier.

@mattersofactivity

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