Für uns Neuköllner:innen ist es nicht verwunderlich, dass das Mausi bereits von Stammgästen besucht wird. Im Kiez gibt es zwar jede Menge Bars und Cafés, aber nur wenige Orte, die man zu jeder Tageszeit zuverlässig aufsuchen kann. Die Gründer:innen Romy und Dustin, denen auch die Torte Bar gehört, und die Geschäftsführerinnen Cindy und Alisa waren sich einig, dass der Raum ein ganztägiger Treffpunkt sein sollte – mit Kaffee, Cocktails und einem Essensangebot. Sie wollten das Gemeinschaftsgefühl, das abends bei Torte herrscht, an einen anderen Ort bringen: Dieses Gefühl ist jetzt im Mausi zu finden. Der Raum selbst fasst etwa hundert Personen – zwei lange Räume mit Sitzgelegenheiten erstrecken sich in beide Richtungen, die Bar ist mit hohen Hockern bestückt, und es gibt einen Außenhof, der von Hecken flankiert wird, um die Hitze in den kälteren Monaten abzuhalten. Die beeindruckende polierte Holzdecke spiegelt die warme Beleuchtung und die Buntglasfenster des Bar-Restaurants wider. Mausi ist Queer-freundlich, Laptop-unfreundlich, am besten analog zu genießen.
Du kannst in den Tag mit einem Croissant und Kaffee starten oder das Mittags- und Dinnermenü von Küchenchefin Alana ausprobieren. Alle Gerichte gibt es auch zum Teilen in größerer Portion. Die Speisekarte ist primär vegetarisch oder vegan, mit Gerichten wie „Grüne Soße“ (ein Frankfurter Favorit und eine Anspielung auf Romys und Dustins Heimatstadt) mit Kartoffeln und Ei, Pilz-Arancini oder mein Highlight – die Unagi-Aubergine mit gebackenem Sellerie und Tahin-Creme. Die Getränkekarte bietet Bier, Wein und Klassiker, aber auch Experimentelles wie den „Matcho-Matcha-Cocktail“ mit Pisco oder dem Wodka-basierten Pinocchio mit Pistazie, Zitrone und grünem Pfeffer. Und der Name? An der Außenwand neben der Tür steht Mausi geschrieben. Das stand schon da, als sie beschlossen, das Lokal zu eröffnen, mit einem Liebesherz über dem „i“, und sie dachten sich: Warum es nicht so lassen, wie es ist, und es bei seinem Kiez-Namen nennen?
Text und Fotos: Savannah van der Niet
Mausi, Richardplatz 1, 12055 Berlin–Neukölln; Stadtplan
@mausi.berlin
Auf der Website des Vereins FC Viktoria 1889 Berlin gibt es im Menü einen kleinen Reiter auf dem „Frauen“ steht. Der Aufbau dieser Website ist eine Analogie zu den realen Strukturen des Frauenfußballs. „Wir sind unabhängig und nicht das B-Team der Männer.“ lautet die Antwort des 1. Frauenteams. Dabei erreicht man ihre Website auch ohne Umweg über den männlichen Teil des Vereins. Ihre Präsenz dort und auf Social Media, die lautstark „Here to change the Game“ verkündet, erzählt von ihrem Kampf um Anerkennung, ihrem Engagement für Gleichberechtigung und von ihrem Willen, den gesellschaftlichen Blick auf den Frauensport zu verändern. Vor allem aber wollen sie, wie alle Teams, in die Bundesliga aufsteigen. Im nächsten Schritt nehmen sie sich erst mal die Zweite Liga vor. Um den „Game Changer Club“ dabei zu unterstützen, kannst Du sie bei ihrem nächsten Spiel am Samstag (16.11) gegen Hertha BSC vom Spielfeldrand aus anfeuern. Die „Himmelblauen“ treten in ihrem Heimstadion Lichterfelde gegen die „Blau-Weißen“ an – in der Regionalliga wie immer ein spannendes Derby! Tickets kannst Du über diesen Link kaufen. Nimm Deine Schwestern, Brüder und Freund:innen mit, das Stadion muss voll werden!
Text: Emma Zylla / Fotos: Kai Heuser
FC Viktoria Berlin, Krahmerstr.15, 12207 Berlin–Lichterfelde; Stadtplan
FC Viktoria Berlin gegen Hertha BSC 16.11.2024 14h
@fcviktoriaberlin
@viktoriaberlin
Noah Davis malte alltägliche Situationen. Eigentlich, denn Davis‘ Bildwelten kommen einem verträumt vor. Der verschleierte Blick seiner Modelle, der merkwürdig wolkenlose Himmel, die fensterlosen Fassaden – seinen Arbeiten wohnt eine träge Schönheit inne. Man fühlt sich wie in einem Traum, in dem man sich nicht sicher ist, ob man schläft. Das Setting: Seltsam häuslich und leicht beunruhigend. Für seine Motivsuche ging Davis auf Flohmärkte, durchforstete private Archive und Familienfotos. Seine Bilder zeigen People of Color. Im öffentlichen Schwimmbad, in Straßenszenen, zu Hause auf dem Sofa. Über seine eigene Arbeit sagte Davis, dass sie nicht politisch sei – wenn überhaupt, dann durch die Tatsache, dass er Schwarze Menschen in alltäglichen Situationen zeigt. In seinen Bildern macht er Normalität zur Hauptdarstellerin und haucht ihr Magie ein. Das Minsk zeigt seit September 2024 seine erste institutionelle Retrospektive, eine Kollaboration mit dem Barbican in London und dem Hammer Museum in Los Angeles, Davis’ Heimat. Mit 60 Arbeiten aus seinem gesamten Werk, bisher ungezeigten Gemälden, Papierarbeiten und Skulpturen zeigt die chronologisch angelegte Ausstellung Davis’ unermüdliches Schaffen vom Jahr 2007 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 2015. Parallel zur Ausstellung wird die Performance „In Circulation“ uraufgeführt: Sieben Sänger:innen performen zwischen Jazz, Neo-Soul, Experimental-Elektronik und Tanz. Das Stück erforscht die zyklische Natur des Lebens.
Text: Inga Krumme / Fotos: Ladislav Zajac & Stefan Wieland / Credit: Noah Davis, Installation view of the exhibition Noah Davis, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2024, The Estate of Noah Davis; Courtesy The Estate of Noah Davis and David Zwirner; Noah Davis, Untitled, 2015; The Museum of Modern Art, New York; Geschenk von Marie-Josée und Henry R. Kravis anlässlich des 80; Geburtstages von Jerry Speyer, 2020; The Estate of Noah Davis; Courtesy The Estate of Noah Davis und David Zwirner
Das Minsk Kunsthaus in Potsdam, Max–Planck–Str.17, 14473 Potsdam; Stadtplan
Noah Davis bis 05.01.2024. In Circulation 22. & 23.11.2024
@dasminsk
Novembergrau, Berlingrau, Allesgrau? Wie gut, dass es das Kino gibt. Und wie gut, dass es ab und zu noch Filme gibt, die man einfach auf der großen Leinwand erleben muss, wie die Werke des algerisch–französischen-brasilianischen Regissuers Karim Aïnouz. Sein neuer Film, der betörende tropical Neonoir „Motel Destino“ läuft seit heute (14.11.2024) endlich in den deutschen Kinos an. Zwischen grellen Neonfarben und der Weite des nordbrasilianischen Himmels entführt Aïnouz uns in eine Welt, die so verlockend wie gefährlich ist, so farbenfroh wie düster. Der junge Heraldo, frisch gestrandet nach einem verpfuschten Raubüberfall, findet hier Zuflucht. Doch was als Versteck beginnt, entwickelt sich rasch zu einem Mikrokosmos menschlicher Begierden und Machtspiele. Der undurchsichtige Motelbesitzer Elias sieht in Heraldo nicht mehr als billige Arbeitskraft, während seine Frau Dayana in dem Neuankömmling einen Hauch der Freiheit wittert, nach welcher sie sich so verzweifelt sehnt. Aïnouz inszeniert ein Dreiecksverhältnis als Tanz auf dem Vulkan. Die Kamera von Hélène Louvart fängt jede Schweißperle, jeden begehrenden Wimpernschlag, jeden offene Pore ein. Die Darstellenden Igor Xavier, Nataly Rocha und Fabio Assunção verkörpern ihre Rollen so, dass die Grenzen von Sehnsucht und Verzweiflung verschwimmen.
Aïnouz nutzt die Kulisse des abgelegenen Motels, um ein Bild der brasilianischen Gesellschaft zu zeichnen, die nach den Jahren unter Bolsonaro wie ein Pulverfass wirkt, jederzeit bereit zu explodieren. Die Charaktere sind keine Helden, sondern Menschen am Rande der Gesellschaft, die verzweifelt nach einem Ausweg suchen. Ihre Körper werden zur Leinwand, auf der sich ihre Hoffnungen und Ängste abzeichnen. Jede Berührung, jeder Blick ist aufgeladen mit Bedeutung. „Motel Destino“ ist ein Werk, das noch lange nachwirkt, das uns zwingt, über die Grenzen von Moral und Begehren nachzudenken, und das uns daran erinnert, wie dünn der Firnis der Zivilisation tatsächlich ist. Gleichermaßen betört und verstört, zieht Aïnouz’ die Zuschauer in seinen Bann und hält sie doch auf Abstand. „Motel Destino“ ist kein leichter Film, aber einer, der uns daran erinnert, warum wir ins Kino gehen: Um berührt, aufgewühlt und herausgefordert zu werden und dem ganzen Grau dieser Stadt, Welt und Jahreszeit zumindest für zwei Stunden auf immer zu entfliehen.
Text: Alina Herbel / Credit: Santoro
Motel Destino
Der Film wird in folgenden Kinos ab dem 14.11.2024 zu sehen sein: fsk Kino, Neues Off, Filmtheater am Friedrichshain, Rollberg Kinos, delphiLUX, and Il Kino.
@piffl_medien
Im Durchschnitt verbringt ein Mensch 374 Tage seines Lebens mit Warten: am Bahnhof, vor Abfahrt des Zuges, im Stau, vor dem Take-off im Flugzeug. Wir warten an anonymen Orten – nicht weil wir uns für sie entscheiden, sondern weil wir müssen. Es sind Räume ohne Identität, die ausschließlich dem Zweck dienen, uns zum eigentlichen Ziel zu führen. In ihrer neuen Ausstellung bei Office Impart stellt Lena Marie Emrich ab Freitag (15.11.2024) diese Nicht-Orte als Fragmente ins Zentrum: Sie verleiht ihnen Gestalt und isoliert sie, um sie überhaupt erst sichtbar zu machen. Ausgehend vom Gedicht „Ein Platz im Zug“ (2002) des palästinensischen Autors Mahmoud Darwish führt sie vor, dass Bahnhöfe und Abflughallen mehr sein können als gesichtslose Durchgangsportale. „All the passengers return to their families“, schreibt Darwish. „But we do not return to any home.“ In seinen Worten und Emrichs Werken liegt keine falsche Romantik.
Beiden geht es um Schmerz und Verlust: In Emrichs Werken ist es die kühle Funktionalität der Klapptische, die wir aus Zugabteilen und Flugzeugkabinen kennen. Emrich überhöht ihre Beiläufigkeit, indem sie die Oberflächen veredelt. So unscheinbar diese Objekte im Alltag wirken mögen, sind sie doch immer Symbole für Ankunft, Abschied und einen Zwischenzustand. Dieses Gefühl ist auch in ihren Porträts der Performancekünstlerin Bianca LeeVasquez zu spüren, die unter anderem die titelgebenden „Brace Position“ einnimmt. Bekannt ist die Pose aus den Sicherheitsanweisungen der Flugbegleiter:innen, aktiv haben sie aber vermutlich nur die wenigsten je einnehmen müssen. In dieser Haltung liegt jedoch so viel mehr: Die Pose ist Teil einer Demonstration, der kaum jemand Beachtung schenkt. Einer Demonstration, die als Wartezeit vor dem Abheben gewertet wird — und das, obwohl sie Leben retten kann.
Text: Laura Storfner / Credit: Lena Marie Emrich
Office Impart, Waldenserstr.2-4, 10551 Berlin–Moabit; Stadtplan
Lena Marie Emrich – Brace, Brace 15.11.–10.01.2025. Eröffnung Fr 15.11.2024 18–21h
@office_impart
@lenamemrich