PHOENIX AUF DEM DACH: HANS UHLMANN IN DER BERLINISCHEN GALERIE

PHOENIX AUF DEM DACH: HANS UHLMANN IN DER BERLINISCHEN GALERIE

Auf dem Dach der Philharmonie befindet sich eine der wohl kuriosesten Skulpturen Berlins: Der Plastiker Hans Uhlmann installierte hier 1964 seinen Phoenix, einen stilisierten Vogel mit zwei breiten Flügeln aus Metall. Doch während Kunst am Bau andernorts ins Auge springt, scheint sich Uhlsmanns Skulptur den Blicken zu entziehen. Sein Phoenix schmiegt sich so nah an die Architektur an, dass er fast nicht auffällt – und steht somit sinnbildlich für das Werk des Künstlers. Uhlmanns Arbeiten fügen sich nahtlos ins Berliner Stadtbild ein. Seine Stahlspiralen und Säulen schrauben sich im Hansaviertel, vor der Deutschen Oper und an der Universität der Künste in die Luft. Doch sein Name ist den meisten heute unbekannt. Die Berlinische Galerie will dies nun mit der ersten umfassenden Retrospektive seit 50 Jahren ändern. Mit rund 80 Skulpturen und grafischen Arbeiten zeichnet das Museum Uhlmanns Leben und Schaffen von den künstlerischen Anfängen in den 1930ern bis zu seinem Tod in den 1970ern nach. Nach einem Maschinenbaustudium versuchte sich der gebürtige Berliner immer wieder als Bildhauer, früh entdeckte er Draht als Hauptmaterial für seine Arbeiten. Als er 1933 bei einer antifaschistischen Flugblatt-Aktion festgenommen und zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt wird, füllt er die Zeit im Gefängnis mit der einzigen Betätigung, die ihm bleibt: dem Zeichnen.

Die befreundete Künstlerin Jeanne Mammen schmuggelt Stifte und Blöcke ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung stellt er die Ideen der Zeit aus: Er realisiert Köpfe aus Metall- und Eisendraht. Uhlmann bezeichnete seine Inhaftierung als die „wichtigste Periode“ seiner künstlerischen Entwicklung. Auch wenn die feinen Drahtfiguren später massiven Metallplastiken wichen, bleibt das Lineare stets Teil seiner Formensprache. Während seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule der Künste in den 1950ern entwickelte Uhlmann auch seinen eigenen Stil weiter: Figurative Auseinandersetzungen traten in den Hintergrund, stattdessen interessierte Uhlmann, wie er Bewegung im Raum mit reduzierten Formen darstellen kann. Seine abstrakten Formanordnungen ließen ihn zu einem der gefragtesten Künstler der noch jungen Bundesrepublik aufsteigen: Einladungen zur Biennale in Venedig und zur documenta folgten. Neben aufwendigen Kunst-am-Bau-Projekten kehrte er im Alter zur Zeichnung zurück. In schwarzer Kreide spürte er auf Papier dem Durchlässigen seiner Strukturen nach – und fand im Zweidimensionalen die Dynamik und Spontanität, die ihm Zeit seines Lebens so wichtig war. Uhlmann gelang, was vielen verwehrt ist: Seine Arbeiten entfalten eine stille Kraft. Auch wenn sie, wie der Phoenix auf dem Dach der Philharmonie, zunächst im Hintergrund bleiben.

Text: Laura Storfner / Fotos: Anja Elisabeth Witte & Clemens Poloczek / Credit: Rechtsnachfolger:innen Ewald Gnilka/VG Bild-Kunst, Bonn 2023; Margot Schmidt, Hamburg, für das Werk von Hans Uhlmann: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Alte Jakobstr.124–128, 10969 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Hans Uhlmann: Experimentelles Formen bis 13.05.2024 Mi–Mo 10–18h

@berlinischegalerie

cee_cee_logo