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GESÄTTIGTER SURREALISMUS: TOILETPAPER BEI FOTOGRAFISKA

GESÄTTIGTER SURREALISMUS: TOILETPAPER BEI FOTOGRAFISKA

Hochglänzend, verspielt und schräg – das Fotomagazin Toiletpaper fesselt den Blick und lässt ihn nicht mehr los. So kühn, so gesättigt, so überdreht sind seine Bildwelten. Seit 2010 veröffentlichen der Künstler Maurizio Cattelan und der Fotograf Pierpaolo Ferrari ihre Mailänder Publikation zweimal jährlich – mit akribisch inszenierten Fotografien, die irgendwo zwischen Pop-Albtraum, Trash und Hochglanzkunst schweben. Verstörend? Oft. Nervig? Vielleicht. Langweilig? Niemals. Jetzt verlassen die überdrehten Vignetten die Seiten des Magazins und ziehen an die Wände von Fotografiska Berlin. Die Ausstellung ToiletFotoPaperGrafiska, die morgen (09.05.2025) eröffnet wird, zeigt eine Auswahl der wildesten Arbeiten der letzten Jahre – und bringt den ganz eigenen Kosmos des Duos in den physischen Raum. Cattelan und Ferrari beschreiben die Ausstellung selbst als eine Party, „auf der alle total betrunken sind und man die einzige nüchterne Person im Raum ist“. Klingt nach einem Rausch mit Ansage. Die Eröffnung? Ein dekadenter Late-Night-Dance-Off mit Performances, Live-Sets, einem DJ-Programm zwischen swinglastigem House und Disco – kuratiert von der Toy Tonics Crew – und einem Konzert von Myss Keta. Und ja: Die Bilder werden da sein. Nicht, dass Du sie übersehen könntest…

Text: Benji Haughton / Fotos: Toiletpaper

Fotografiska Berlin, Oranienburger Str.54, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan

ToiletFotoPaperGrafiska (09.05–31.08.2025) – Karten für die morgige Eröffnungsparty gibt es hier.

@fotografiska.berlin

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WAS WENN DIE SPREE EIN RIFF WÄRE? — MATERIALITÄT NEU ENTDECKEN UND ZUKUNFT GESTALTEN BEIM MATTER FESTIVAL

WAS WENN DIE SPREE EIN RIFF WÄRE? — MATERIALITÄT NEU ENTDECKEN UND ZUKUNFT GESTALTEN BEIM MATTER FESTIVAL

Die besten Festivals sind bekanntlich die, die den ganzen Sommer dauern und ohne Kater in Erinnerung bleiben. Das interdisziplinäre „__matter Festival 2025“ ist genau so eins. Bis Oktober verwandelt es Berlin in ein Labor der Materialkultur zwischen Wissenschaft, Kunst und Design. Initiiert vom Exzellenzcluster „Matters of Activity“ der Humboldt-Universität zu Berlin rückt die Veranstaltungsreihe tatsächlich Materialien in den Vordergrund. Was im ersten Moment ein bisschen abstrakt klingt, ist tatsächlich weiter gedacht und deutlich relevanter, als man zuerst meinen könnte – geht es doch schließlich um nichts weniger, als unsere ökologische, soziale und gestalterische Zukunft. Elf Ausstellungen, ein dichtes Eventprogramm, zwölf Orte – von Art Laboratory Berlin bis zum Späth-Arboretum, vom Kunstgewerbemuseum bis zum Silent Green Kulturquartier. Über 70 Forscher:innen aus rund 40 Disziplinen bringen ihre Expertise ein, um das Verhältnis von Natur und Kultur, Biologie und Technik, Symbolik und Stofflichkeit neu zu denken. Beispielsweise taucht im Re:future Lab Rasa Weber mit „What if the Ocean Were a City?“ in die Tiefe der Spree. Ihr Projekt „Syntopolis“ ist ein immersives Riff, das den Raum in ein urbanes Unterwasserhabitat verwandelt. Im wahrsten Sinne verschwimmen hier die Grenzen: zwischen Stadt und Ozean, Mensch und mehr-als-menschlicher Gemeinschaft. Was, wenn die Spree ein Riff wäre?

Wie sähe unser Zusammenleben aus, wenn wir die Perspektive wechseln? Das kann man auch im Späth-Arboretum ergründen, diesem fantastischen geheimen Ort im Süden Neuköllns. Dort lädt die Reihe „Vegetal Companions“ dazu ein, Pflanzen und Bäume als eigenständige Akteure zu erleben. Das Kollektiv der Pflanzen wird zur Inspirationsquelle für neue Formen des Wissens: Boden als Archiv, Philosophie als Gärtnern, Kunst als Forschung. Hier wird der Mensch nicht als Beherrscher der Natur, sondern als Teil eines vielstimmigen Ökosystems verstanden. Auch „Fermenting Textiles“ im Art Laboratory Berlin verwebt Anthropologie, Mikrobiologie und Kunst zu einer multisensorischen Erfahrung. Textilien werden in Schlamm und Pflanzenmaterial fermentiert, der Prozess sichtbar gemacht – ein Sinnbild für die Zusammenarbeit von Spezies, Disziplinen und Traditionen. Das Festival ist ein Plädoyer für das Analoge im digitalen Zeitalter: Materialien werden nicht länger als passive Träger verstanden, sondern als aktive, formende Kräfte, die unsere Welt gestalten. Wir sind aufgefordert Materialität neu zu denken – als etwas, das verbindet, transformiert und Zukunft schreibt. Und was kann befriedigender sein, als kluge Gedanken und neue Perspektiven auf die Welt – einen ganzen Sommer lang.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Mathieu Kelhetter; Musée national d’historie Luxembourg; Aubin Woehrel

__matter Festival 2025

Das ganze Programm und alle Orte gibt es hier.

@mattersofactivity

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MEHR ALS EINE ALLEGORIE: MAXIM GORKI THEATER ERINNERT AN DIE AGHET

MEHR ALS EINE ALLEGORIE: MAXIM GORKI THEATER ERINNERT AN DIE AGHET

Es geht um die Aghet, den Völkermord an den Armenier:innen während des Ersten Weltkriegs. Mit dem multidisziplinären Festival „100 + 10 – Armenian Allegories“ schaut das Maxim Gorki Theater nun bereits im zehnten Jahr auf die Katastrophe zurück: Die Veranstaltungsreihe bildet vom 24.04. bis 31.05.2025 den Auftakt und Prolog für RE-IMAGINE! – den 7. Berliner Herbstsalon. Neben neuen Stücken sind Werke aus der letzten Dekade zu sehen, die sich mit der armenischen Realität in Vergangenheit und Gegenwart befassen. Erzählt werden armenische Geschichten aus der ganzen Welt — erdacht und umgesetzt von über 150 Künstler:innen, in Werken bildender Kunst, Filmen und Konzerten. Das Stück „The Bird of a Thousand Voices“ eröffnet das Festival: Der Musiker Tigran Hamasyan, 2021 beim Deutschen Jazzpreis zweifach ausgezeichnet, inszeniert die Neuauflage eines alten armenischen Märchens als Performance zwischen Oper und kinetischer Bühnenkunst. Tagsdarauf feiert „Donation“ Uraufführung: Arsinée Khanjian nutzt ihren Körper als Medium, um Gewalterfahrungen und Traumata spürbar werden zu lassen. Im Stück will die kanadische Schauspielerin einem Archivar historische Filmkostüme schenken, die an den Völkermord erinnern sollen. Doch dieser hinterfragt den Mahn- und Mehrwert der Artefakte.

Am Eröffnungswochenende startet auch die Literaturreihe „Meine Seele im Exil“, für die die Autorin Anahit Bagradjans Stimmen der armenischen und diaspora-armenischen Literatur, gelesen von der Berliner Literaturszene, auf eine Bühne bringt. Die Schriftstellerin Fatma Aydemir, bekannt für ihren Roman „Ellbogen“, und die Autorin und Schauspielerin Maryam Zaree werden aus der für die Reihe titelgebenden Novelle der armenischen Dichterin Zabel Yesayan am 27.04. lesen und diskutieren. Am selben Abend tragen die Schauspieler:innen Benita Bailey, Saro Emirze und Alina Manoukian aus Fatih Akıns Drehbuch zum Film „The Cut“ vor. Erzählt wird die Geschichte des Schmieds Nazaret. Bis Ende Mai schlägt das Gorki so Brücken in die Gegenwart, fragt, wie vergangenes Leid ins Jetzt wirkt und welche Lehren wir ziehen können.

Text: Isabel Raab / Credits: Anush Babajanyan; Nazek Armenakyan, Untitled from the series Red, Black White, 2021; Piruza Khalapyan, The Door to Hell, Nor Getashen, Shahumyan Province, Artsakh, 2020  

Maxim Gorki Theater, Am Festungsgraben 2, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
100 + 10 – Armenian Allegories, im Studio, Kiosk und im Palais am Festungsgraben, 24.04.–31.05.2025. Der Eintritt zur Ausstellung ist kostenlos.

@maxim_gorki_theater

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SAIGON BIS PARIS? DAS FESTIVAL INTERNATIONALE NEUE DRAMATIK BRINGT STÜCKE AUS DER GANZEN WELT AN DIE SCHAUBÜHNE

SAIGON BIS PARIS? DAS FESTIVAL INTERNATIONALE NEUE DRAMATIK BRINGT STÜCKE AUS DER GANZEN WELT AN DIE SCHAUBÜHNE

Wenn man ein Bild für das FIND 2025, das Festival für Internationale Neue Dramatik an der Schaubühne, finden wollte, dann müsste man nur von Caroline Guiela Nguyens neuem Theaterstück erzählen: In „Lacrima“ verwebt die französisch-vietnamesische Regisseurin – der das diesjährige Festival gewidmet ist – Fragen nach Herkunft, Klasse und Arbeit zu einer Geschichte, die Kontinente umspannt. Beauftragt damit, ein Hochzeitskleid für das britische Königshaus zu fertigen, machen sich ein britischer Modeschöpfer, eine Schnittzeichnerin in Paris, Spitzenklöpplerinnen in Alençon und ein Perlensticker in Mumbai ans Werk. Das Erkunden von universellen Themen aus verschiedenen geografischen Perspektiven zeichnet das FIND aus: Aktuelle Theaterstücke aus allen Teilen der Welt, immer auch auf Englisch übertitelt, kommen verlässlich seit mehr als zwanzig Jahren in Wilmersdorf auf die Bühne. In diesem Jahr richtet sich der Blick mit Stücken aus Frankreich, Belgien, Irland, Spanien, den USA und Kirgisistan nach innen, auf die Familien in den eigenen vier Wänden. Aber auch beim FIND ist das Private, ganz gleich ob in Saigon oder Strasburg, immer dezidiert politisch. So wagt der wallonische Schauspieler Cédric Eeckhout einen sehr persönlichen Blick zurück, indem er für das Stück „Héritage“ seine eigene Mutter verpflichtet: Auf dem Papier lebte die 75-jährige Jo wie eine Frau in der damaligen Zeit zu leben hatte – sie heiratete mit 19, bekam drei Kinder, baute ein Haus, kaufte Kleider und den neuesten Staubsauger. Hinter all der Konventionalität findet Cédric Eeckhout trotzdem ein emanzipatorisches Vorbild: eine Heldin, die unabhängig sein wollte und dieses Freiheitsgefühl an ihren Sohn weitergab.

Die Vergangenheit voll Gewalt und Trauer aufarbeiten, das will auch die Hauptfigur in „Safe House„: In einer leerstehenden Handballhalle im irischen Galway singt sich die junge Protagonistin von Tony-Gewinner Enda Walsh und Komponistin Anna Mullarkey in einen neuen Lebensabschnitt. Mit ähnlichen Traumata haben die Figuren in Milo Raus „Medea’s Kinderen“ zu kämpfen: Rau verblendet Euripides‘ Tragödie der Kindermörderin mit einem realen belgischen Fall und lässt die Kinder selbst zu Wort kommen. Für ihre Mutter sprechen und übersetzen muss auch die Tochter in Caroline Guiela Nguyens neuster Arbeit „Valentina„. Guiela Nguyen, die für das Stück in der rumänischen Community von Straßburg recherchierte, erzählt, was es bedeutet, als Kind mit Migrationsgeschichte für das Leben der Eltern Verantwortung zu übernehmen. Denn das Mädchen Valentina sitzt zwischen den Stühlen – übersetzt es eine Krankheitsdiagnose, die auf nichts Gutes hoffen lässt, oder lässt es die Mutter im Ungewissen? Die FIND-Stücke entlassen einen mit diesen Fragen zurück in den Alltag: Wie gehen wir mit Schmerz – dem persönlichen und dem der anderen – um? Wie finden wir Worte, wenn wir den Ausweg nicht sehen und doch von Hoffnung sprechen wollen?

Text: Laura Storfner / Fotos: Bea Borgers, Jean Louis Fernandez 

Schaubühne am Lehninger Platz, Kurfürstendamm 153, 10709 Berlin–Wilmersdorf; Stadtplan

FIND – Festival Internationale Neue Dramatik 04.–13.04.2025. Das komplette Programm findest Du hier

@schaubuehne_berlin

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NEUE SOUNDS, DIE STIMME ALS INSTRUMENT, KONZERTE UND PERFORMANCES — MAERZMUSIK GEHT WIEDER LOS

NEUE SOUNDS, DIE STIMME ALS INSTRUMENT, KONZERTE UND PERFORMANCES — MAERZMUSIK GEHT WIEDER LOS

Jeden Frühling frage ich mich, was MaerzMusik, abgesehen von Musik im März, eigentlich genau bedeutet. Und jedes Mal wenn ich hingehe, werde ich überrascht. Denn das Festival der Berliner Festspiele hält mindestens ein Versprechen stets ein: Es bringt frischen Wind in die Berliner Musik- und Veranstaltungslandschaft – und in meine musikalische Bibliothek erst recht. MaerzMusik versteht sich als „ein Ort des Austauschs von künstlerischem Wissen“. Dieses Jahr findet dieser Austausch unter anderem zu folgender Frage statt: Wenn veraltete Formen des Zusammenlebens überholt werden müssen, was heißt das für die Musik? Und wie können wir anders, zukunftsfähig komponieren? Antworten darauf sucht das Festival mit einem Programm aus Ausstellungen, Performances und Konzerten an verschiedenen Orten in Berlin. Die diesjährige Ausgabe (21.–30.03.2025) eröffnet mit der deutschen Erstaufführung von „Melencolia„, einer Musiktheater-Show von Brigitta Muntendorf und Moritz Lobeck, in Kooperation mit der Staatsoper Unter den Linden im Haus der Berliner Festspiele.

Experimentelle Instrumentierungen ziehen sich durch das gesamte Festival: Enno Poppes „Streik“ bringt zehn Drumsets gleichzeitig zum Klingen, Chaya Czernowins „Poetica“ ist eine ganz eigene perkussive Klangreise, und von Liza Lim, Wadada Leo Smith und vielen anderen gibt es Kompositionen für Blechblasinstrumente. Auch die Stimme spielt eine zentrale Rolle – mit Performances von Joan La BarbaraPamela ZTy BouqueLaura Bowler und Ute Wassermann. Das Ensemble Nikel bringt Mark Bardens „limina“ mit Ligia Lewis’ Tanzsolo „Sensation 1“ und „Minor Characters“ von Matthew Shlomowitz und Jennifer Walshe auf die Bühne. Ein weiteres Highlight ist die Europapremiere der jüngsten Arbeit von Nguyễn + Transitory mit thailändischen Tänzer:innen. Und zum großen Finale öffnet das Festspielhaus seine Räume – und mit ihnen neue klangliche Möglichkeiten für das Publikum. „I am All Ears“ heißt die Konzert-Installation – und ich bin es auch.

Text: Inga Krumme / Fotos: Anja Koehler, Luis Rodriguez, Monica Garcia

MaerzMusik der Berliner Festspiele findet vom 21.–30.03.2025 im Haus der Berliner Festspiele und an weiteren Locations in Berlin statt. Tickets und weitere Informationen sind online erhältlich.

@berlinerfestspiele

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