NICHTS IST, WIE ES SCHEINT IM THEATERSTÜCK „JESSICA — AN INCARNATION“ AN DER VOLKSBÜHNE

NICHTS IST, WIE ES SCHEINT IM THEATERSTÜCK „JESSICA — AN INCARNATION“ AN DER VOLKSBÜHNE

Hast Du Lust darauf, Dich auf einen visuellen und inhaltlichen Sog einzulassen? Einen, der Deine Aufmerksamkeit für den Moment des Erlebens voll und ganz in Beschlag nimmt und alles andere vergessen lässt? Dann ab ins Theaterstück „Jessica – An Incarnation“ von Regisseurin Susanne Kennedy an der Volksbühne. Das Werk stellt die ganz großen Sinnfragen und hat mich damit komplett in seinen Bann gezogen: Was ist Fiktion, was ist Realität und in welcher Wirklichkeit befinde ich mich gerade? Von Anfang an eröffnet sich mir ein beeindruckend ausgeleuchteter Raum, bestückt mit abstrakten und verwitterten Skulpturen, die sich – genau wie die Schauspieler:innen – durch die Drehbühne immer wieder in mein Blickfeld schieben und an eine stilisierte Wüste erinnern. Durch die wiederkehrenden Muster und Fragmente, mit denen die Bühne im pulsierenden Rhythmus ausgeleuchtet wird, habe ich das Gefühl, die Szenen wie durch ein Kaleidoskop zu beobachten.

Im Mittelpunkt der Ereignisse ein schwebendes Plateau, auf dem die zentrale Figur Jessica wie der weiblicher Jesus in Feinripp-Unterwäsche in Phrasen zu ihren Jünger:innen spricht. Auch die Themen und Dialoge befinden sich in Rotation und Dauerschleife: Vieles dreht sich um Tod und Wiederauferstehung, gespickt mit christlichen Anspielungen – sich immer drehend um die Frage, was real erlebt und was vielleicht Einbildung ist. Aber damit noch nicht genug, gibt es inmitten dieses übergeordneten Themas auch zeitliche Sprünge in eine futuristische Welt: Hier wird von der Erfindung „Anamnesis“ erzählt, durch deren Technologie Menschen ihre unterbewussten Erlebnisse im Schnelldurchlauf wie in einem Tunnel Revue passieren lassen, wie eine Art Nahtoderfahrung. Nach einer Weile gebe mich als Zuschauerin diesem Sog zwischen Spiritualität und hyperrealistischen Szenen einfach hin. Zwei Stunden dauert meine Reise durch ein bildgewaltiges Spektakel. Irgendwann scheint es egal, wo die Erzählung begann und wo sie aufhören wird und als die Aufführung dann plötzlich doch vorbei ist, wanke ich aus dem Theater und werde viel zu schnell wieder von der Realität eingeholt.

Text: Nicola Sifrin / Fotos: Julian Röder

Jessica – An Incarnation in der Volksbühne, Linienstr.227, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan
Bis 30.04.2022, Karten kannst Du auf der Website kaufen.

@volksbuehne_berlin

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