Cee Cee Creative Newsletter Book Neighborhood Map Lessons
Stadtplan
Information
archive temp
loop temp
VOM SEHEN ZUM HANDELN: LYGIA CLARK IN DER NEUEN NATIONALGALERIE

VOM SEHEN ZUM HANDELN: LYGIA CLARK IN DER NEUEN NATIONALGALERIE

1965 sprach die brasilianische Künstlerin Lygia Clark in einem Ausstellungstext ihr Publikum direkt an: „Ihr verleiht meinen Gedanken Ausdruck und schöpft aus ihnen Erfahrung.“* Schon damals war klar, dass sie die Besucher:innen nicht nur zum Betrachten ihrer Werke auffordern wollte. Sie sah sie als Teilnehmende und Co-Autor:innen, die ihre Skulpturen und Performances überhaupt erst möglich machten. Die Neue Nationalgalerie schaut in einer umfassenden Retrospektive auf Clarks radikales, partizipatives Konzept und ihren Verdienst als Hauptvertreterin der in Rio de Janeiro initiierten Neoconcretismo-Bewegung zurück. Die Neokonkretist:innen wollten Kunst als etwas sinnlich Erfahrbares begreifen, das zwischen Werk und Raum, Publikum und Künstler:in entsteht. Bevor Clark ihren Schwerpunkt auf das Interaktive in der Kunst legte, malte sie geometrisch-abstrakt. Schon in diesen frühen Bildern aus den 1950er-Jahren scheint durch, wie sehr sie sich für die Beziehung zwischen Werk und Raum interessierte. Nach und nach bricht Clark aus der Leinwand aus: 1959 entstehen erste geometrische Skulpturen, die Clark Bichos (Tiere) nennt. Sie erinnern auf den ersten Blick an überdimensionale Origami-Gebilde aus Aluminium. Das Besondere an ihnen? Sie können in verschiedene Positionen gefaltet werden und wechseln somit das Aussehen – je nachdem, wie es dem Publikum gefällt.

Wird das Gegenüber bei den Bichos selbst zum Schöpfer, erweitern Clarks „Objetos Sensoriais“ (Sensorische Objekte) den eigenen Körper: Es sind Jacken, Masken und Brillen, die allein oder gemeinsam getragen werden können, um nicht nur das Selbst und die Umgebung, sondern auch den Anderen einzubeziehen. Diesen Gedanken führt Clark Ende der 1960er bis zu ihrem Tod 1988 mit dem Corpo Coletivo (Kollektivkörper) fort, bei dem das gemeinsame Erfahren in Performances im Mittelpunkt steht. Mit rund 120 Originalwerken und 50 Repliken gelingt es den Kuratorinnen Irina Hiebert Grun und Maike Steinkamp Clark als Vordenkerin greifbar und ihre Kunst mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Doch nicht nur die ausgestellten Objekte, sondern allen voran das umfassende Performanceprogramm übertragen ihre Ideen ins Jetzt. Da ist beispielsweise die Arbeit Kollektiver Körper von 1970, bei dem die Teilnehmenden bunte Overalls überziehen, die über Fäden miteinander verbunden sind. Geht eine Person voran, muss der Rest nachziehen – und sich so als Einheit bewegen. So wie es sich Lygia Clark gewünscht hätte.

Text: Laura Storfner / Credit: Cultural Association „The World of Lygia Clark“; Associação Cultural O Mundo de Lygia Clark; Neue Nationalgalerie – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, David von Becker

*Originalzitat: „It’s you who now give expression to my thoughts, to draw from them whatever vital experience you want.“

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str.50, 10785 Berlin-Tiergarten; Stadtplan
Lygia Clark. Retrospektive bis 12.10.2025

@neuenationalgalerie

cee_cee_logo
STIMMEN AUS DEM DAZWISCHEN — KÜNSTLERISCHE PERSPEKTIVEN AUF EXIL BEIM „PERFORMING EXILES“ FESTIVAL

STIMMEN AUS DEM DAZWISCHEN — KÜNSTLERISCHE PERSPEKTIVEN AUF EXIL BEIM „PERFORMING EXILES“ FESTIVAL

Wie fühlt sich Exil an – heute, mitten in Europa? Was bleibt, wenn Sprache, Herkunft oder Sicherheit plötzlich brüchig werden? Wenn Zu-Hause nicht mehr sein kann, wo es ist? Und wie verändert sich Berlin, diese Stadt, die historisch schon beides war – Ausgangs- und Zielpunkt für Exilant:innen in und aus aller Welt. Vom 19. bis 28. Juni 2025 spürt das Festival „Performing Exiles“ der Berliner Festspiele diesen Fragen nach – mit Theater, Performance, Tanz und Gesprächen an drei Berliner Orten: im Haus der Berliner Festspiele, im HAU – Hebbel am Ufer und im Ballhaus Ost. Im Mittelpunkt stehen diasporische Künstler:innen und ihre Sicht auf Themen wie Identität, Entwurzelung, Widerstand und Erinnerung. Viele der Arbeiten sind autobiografisch geprägt, andere eher formal experimentell. Es geht um Nähe, um Perspektivwechsel – und um die politische Kraft von Kunst. Gezeigt werden unter anderem eine Uraufführung vom Regisseur Mohammad Rasoulof, der aus dem Iran geflüchtet ist. Sein Stück „Destination: Origin“ verhandelt die Idee von Heimat. Tamara Trunova, Theatermacherin aus Kyjiw, präsentiert eine neue Produktion, die zwischen Krieg und Alltag entstanden ist.

Mario Banushi – aufgewachsen in Athen, geboren in Tirana – zeigt die wortlose Inszenierung „Goodbye, Lindita“, über die international jedoch bereits viele Worte verloren wurden. Und Lina Majdalanie & Rabih Mroué erzählen in ihrer Arbeit von Exilerfahrungen und verbinden sie mit Texten eines der bekanntesten deutschen Exilanten: Bertolt Brecht. Ein besonderes Format ist „100° Diaspora“ – ein Mini-Festival im Festival: drei Tage, fünf Bühnen, 45 Projekte mit konzeptioneller Kuration: Wer sich zuerst beworben hat, ist dabei. Kein Jury-Auswahlprozess, keine Filterung. Die Formate reichen von Lesungen bis Performance, von Installation bis Zirkus. Von low bis high. (Insbesondere Rodrigo Zorzanellis Solo-Performance Wiederaufführung „Multiple Memberships“ am 26.06. sollte man sich dabei nicht entgehen lassen.) Auch in seiner zweiten Ausgabe bildet „Performing Exiles“ die Dringlichkeit seines Themas in allen Facetten ab, ohne dabei ins Spektakel zu rutschen. Wie fühlt sich das performte Exil an? Offen, manchmal unbequem, oft bewegend und definitiv dringlich ästhetisch.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Christophe Berlet, Fabian Schellhorn & Theofilos Tsimas

Performing Exiles Festival 19.–28.06.2025

Das Festival findet im Haus der Berliner Festspiele im HAU und im Ballhaus Ost statt. Das ganze Programm gibt es hier.

@berlinerfestspiele

cee_cee_logo
WAS BLEIBT, WENN NIEMAND RECHT HABEN WILL? — SUCHENDE SPRACHE BEIM POESIEFESTIVAL BERLIN ERLEBEN

WAS BLEIBT, WENN NIEMAND RECHT HABEN WILL? — SUCHENDE SPRACHE BEIM POESIEFESTIVAL BERLIN ERLEBEN

Wie wäre die Welt, wenn nicht immer alle alles behaupten würden, sondern nur ein bisschen fragen würden? Ein bisschen forschen, ein bisschen anbieten und die Zwischentöne und den Diskurs u einfach mal aushalten? Klingt befreiend? Finde ich auch. Wie sich sowas konkret und ästhetisch herausfordernd anhören und -fühlen könnte, erkundet man dieser Tage am besten beim Poesiefestival Berlin. Noch bis zum 15. Juni 2025 findet dies in der ganzen Stadt statt, unter anderem in der Moabiter Division der Akademie der Künste und im Weddinger Silent Green, schon dieser ein Ort – ein ehemaliges Krematorium – ist das Architektur-gewordenen Aushalten der Widersprüchlichkeiten. Ein Raum des Flüchtigen. Über 150 Autor:innen, Performer:innen und Denkende aus aller Welt kommen hier zusammen. Eröffnet wird das Hauptfestival am Dienstag (03.06.) mit der Berliner Rede zur Poesie von Claudia Rankine unter dem Titel „Writing as Seeing“. Anschließend finden zahlreiche Poesiegespräche, Performances, das Zebra Poetry Film Festival und Themenabende wie „Writing Identities“ im Silent Green statt.

Highlights des Programms sind sicherlich die Lesungen im Grünen. Für das Abschlusswochenende am 14. und 15.06. kehrt das Festival wieder in die Akademie der Künste zurück: Am Samstag widmen sich unter dem Motto „Writing Sports“ verschiedene Lesungsformate der Verbindung zwischen Poesie und Sport sowie dem Format „Weltklang – Nacht der Poesie“ (15.06.), einer multilingualen Lesung, die zeigt, dass Gedichte keine Nationalsprachen brauchen, um zu treffen. Die Stimmen u. a. von Valzhyna Mort, Ghayath Almadhoun und Simone Atangana Bekono tragen das Uneindeutige ins Publikum. Das Format „Versschmuggel“ bringt Fremdes in Bewegung: Dichter:innenpaarungen aus verschiedenen Ländern übersetzen einander, tastend, manchmal tastlos, immer nach Nähe fühlend. Wer dann gerne ein Stück Festival mit nach Hause nehmen möchte, findet beim Lyrikmarkt im Hof handgeheftete Hefte, Gespräche im Grünen, Kinderlesungen und Poesie als Partikel für den Alltag. Wem das alles zu pathetisch klingt, sei beruhigt: Hier wird nichts behauptet – nur angeboten.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Ricardo DeAratanha, Michael Kuchinke-Hofer / Still: Requiem for Eve, Anna-Maria Chernigovskaya

Poesiefestival Berlin bis 15.06.2025

Karten, Programm, mehr als das? Hier entlang.

@hausfuerpoesie

cee_cee_logo
ZUFÄLLIG KUNST-SAMMLER:IN WERDEN — RAFFLE ARTS MACHT’S MÖGLICH UND VERLOST KUNSTWERKE

ZUFÄLLIG KUNST-SAMMLER:IN WERDEN — RAFFLE ARTS MACHT’S MÖGLICH UND VERLOST KUNSTWERKE

Ein Originalwerk fürs eigene Zuhause – davon träumen viele. Doch oft bleibt es bei der Bewunderung der Werke in den Galerien. Zu teuer, zu elitär, zu unnahbar. Dass es auch anders geht, zeigt Raffle Arts: ein neues Format, das Kunst zugänglich machen will – durch Verlosung. Die Idee dahinter ist so charmant wie einfach: Jeden Monat wird ein neues Werk eine:r aufstrebenden oder etablierten Künstler:in kuratiert und vorgestellt. Für kleines Geld kann man ein Ticket für die Verlosung kaufen. Am Ende des Monats entscheidet das Los – ein:e glückliche:r Gewinner:in bekommt das Original. Für zehn weitere ausgeloste Teilnehmende gibt es eine signierte Edition. Insgesamt gibt es nur 100 Lose. Entstanden ist das Projekt in Berlin, nach einigen selbstkuratierten Ausstellungen und vielen Gesprächen mit Künstler:innen und Sammler:innen. Gegründet wurde Raffle Arts von Luca Keil, der die Inspiration für das Projekt als Kurator von Ausstellungen für befreundeten Künstler:innen bekam. Jetzt verfolgt er das Ziel, Kunst fair zu verkaufen, Nachwuchs sichtbar zu machen und neue Sammler:innen zu begeistern. Ohne Galeriemargen, ohne Schwellenangst. So wird Raffle Arts zur Mini-Revolution im Kunstbetrieb: spielerisch, unprätentiös, nahbar. Und vielleicht genau der richtige Anstoß, selbst ins Sammeln einzusteigen. Oder sich einfach mal wieder in ein Kunstwerk zu verlieben.

Text: Inga Krumme / Fotos: Miriam Beichert & Luca Keil

Zur aktuellen Ausgabe geht’s hier.

@rafflearts

cee_cee_logo
DIE GARTENLAUBENREFORM: PROTOTYP NARA ZEIGT, WAS DESIGN FÜR DEN KLEINGARTEN DER ZUKUNFT TUN KANN

DIE GARTENLAUBENREFORM: PROTOTYP NARA ZEIGT, WAS DESIGN FÜR DEN KLEINGARTEN DER ZUKUNFT TUN KANN

Kleingartenvereine sind ein schräger wie faszinierender Mikrokosmos, und die Gartenlaube eine nicht weniger faszinierende Gebäudetypologie. So wahnsinnig deutsch, folgen die oft selbst auf- oder ausgebauten kleinen Häuser einem Regelwerk, was niemand universal aufgeschrieben hat, aber alle mehr oder weniger verfolgen. Dabei wird ressourceneffizient gebaut, aber nicht immer umweltfreundlich: Restmaterial und Materialreste fügen sich zusammen zu oft temporären Baukunstwerken – bis der nächste Anbau oder Umbau durch die Nachmieter:innen erfolgt. Mutig hat sich der Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands (BKD) zusammen mit der FH Potsdam dieser besonderen Typologie angenommen, mit dem Ziel, die Laube von Grund auf besser zu denken. Das Ergebnis trägt den Namen „Nara„, und das Konzept soll einiges sein und viel können. Ein Naturraum und Gartenhaus in einem, das nachhaltiges Bauen, inklusive Denken und zeitgenössisches Design miteinander verbindet, und dabei die Möglichkeit zum Ausbau offen lässt.

Entstanden ist ein durchdachtes Haus auf sechzehn Quadratmetern, das nicht nur mit kluger Raumaufteilung daherkommt – überdachte Terrasse, luftiger Innenraum, integrierter Geräteraum – sondern auch mit seiner Haltung: gebaut aus unbehandeltem Fichtenholz, modular erweiterbar, barrierearm, biodiversitätsfördernd. Insektenhotels? Nistkästen? Gründach? Alles möglich. Die Ausstellung im Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands (wo sonst?) zeigt jetzt zur Berlin Design Week den 1:1-Prototypen (natürlich im Garten) und den gesamten Entwicklungsprozess: von der ersten Skizze bis zum fertigen Modell. Und wem das alles nicht genug des Grünen war, der geht noch in die begleitende Ausstellung „Stadt, Natur, Mensch – Kleine Gärten, große Wirkung“ – wir sehen uns im Garten!

Text: Inga Krumme / Fotos: Bernd Hiepe, Ulrich Wessollek

Bundeszentrum Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands e. V. (BKD), Hermannstr.186, 12049 Berlin–Neukölln; Stadtplan

Kleingarten-Laube goes Berlin Design Week“ Sonderausstellung 15.–18.05.2025 11–15h, 20.05.2025–31.10.2026
Stadt I Natur I Mensch – Kleine Gärten, große Wirkung“ bis Oktober 2026.

@kleingartenbund

cee_cee_logo