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ÜBER VERLUST UND NEUANFÄNGE — DAS DOKUMENTATIONSZENTRUM FLUCHT, VERTREIBUNG, VERSÖHNUNG

ÜBER VERLUST UND NEUANFÄNGE — DAS DOKUMENTATIONSZENTRUM FLUCHT, VERTREIBUNG, VERSÖHNUNG

Manche Bauwerke zeichnen sich nicht nur durch ihre Architektur aus, sondern auch durch die Artefakte, die sie beherbergen. Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung – ein Museum, das reale Geschichten über Geflüchtete und Vertriebene erzählt – ist wohl ein solcher Ort. Scharfes, minimalistisches Design und raue Betonoberflächen prägen das Zentrum, das sich gegenüber der Ruinen des ehemaligen Anhalter Bahnhofs in der Nähe des Potsdamer Platzes befindet. Eine Wendeltreppe – entworfen von den österreichischen Architekten Marte.Marte – führt hinauf zur Ausstellung. Das Herzstück ist eine beeindruckende Dauerausstellung, die politisch, ethnisch und religiös begründete Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert in Europa und darüber hinaus beleuchtet. Die Flucht und Vertreibung der Deutschen im und nach dem von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg bilden dabei den Fokus der Ausstellung. Auf 1500 Quadratmetern sind Fotos, Texte, audiovisuelles Material und physische Objekte zu sehen. Es werden Schwimmwesten von Migrant:innen aus dem Mittelmeerraum gezeigt, Töpfe und Pfannen, die von der UNO an Geflüchtete aus Bangladesch ausgegeben wurden, und Hausschlüssel, die von Deutschen aufbewahrt wurden, die aus Königsberg (heute Kaliningrad) vertrieben wurden. Viele der Artefakte tragen das Gewicht von Verlust und Gewalt in sich – zwei Dinge, die das vergangene Jahrhundert gezeichnet haben und die Gegenwart weiterhin prägen. Während Du durch die Ausstellung läufst, wirst Du den ganz eigenen Raum der Stille bemerken, den das Zentrum beherbergt – einen fast skulpturalen, in dem Licht und Schatten eine introspektive Atmosphäre schaffen. Dieser Ort ist so bewegend, wie die Geschichten selbst.

Text: Benji Haughton / Fotos: Gröteke, SFVV

Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Stresemannstr.90, 10963 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan

@flverver

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VERTRÄUMTER ALLTAG — NOAH DAVIS‘ MALEREI IN DAS MINSK

VERTRÄUMTER ALLTAG — NOAH DAVIS‘ MALEREI IN DAS MINSK

Noah Davis malte alltägliche Situationen. Eigentlich, denn Davis‘ Bildwelten kommen einem verträumt vor. Der verschleierte Blick seiner Modelle, der merkwürdig wolkenlose Himmel, die fensterlosen Fassaden – seinen Arbeiten wohnt eine träge Schönheit inne. Man fühlt sich wie in einem Traum, in dem man sich nicht sicher ist, ob man schläft. Das Setting: Seltsam häuslich und leicht beunruhigend. Für seine Motivsuche ging Davis auf Flohmärkte, durchforstete private Archive und Familienfotos. Seine Bilder zeigen People of Color. Im öffentlichen Schwimmbad, in Straßenszenen, zu Hause auf dem Sofa. Über seine eigene Arbeit sagte Davis, dass sie nicht politisch sei – wenn überhaupt, dann durch die Tatsache, dass er Schwarze Menschen in alltäglichen Situationen zeigt. In seinen Bildern macht er Normalität zur Hauptdarstellerin und haucht ihr Magie ein. Das Minsk zeigt seit September 2024 seine erste institutionelle Retrospektive, eine Kollaboration mit dem Barbican in London und dem Hammer Museum in Los Angeles, Davis’ Heimat. Mit 60 Arbeiten aus seinem gesamten Werk, bisher ungezeigten Gemälden, Papierarbeiten und Skulpturen zeigt die chronologisch angelegte Ausstellung Davis’ unermüdliches Schaffen vom Jahr 2007 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 2015. Parallel zur Ausstellung wird die Performance „In Circulation“ uraufgeführt: Sieben Sänger:innen performen zwischen Jazz, Neo-Soul, Experimental-Elektronik und Tanz. Das Stück erforscht die zyklische Natur des Lebens.

Text: Inga Krumme / Fotos: Ladislav Zajac & Stefan Wieland / Credit: Noah Davis, Installation view of the exhibition Noah Davis, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2024, The Estate of Noah Davis; Courtesy The Estate of Noah Davis and David Zwirner; Noah Davis, Untitled, 2015; The Museum of Modern Art, New York; Geschenk von Marie-Josée und Henry R. Kravis anlässlich des 80; Geburtstages von Jerry Speyer, 2020; The Estate of Noah Davis; Courtesy The Estate of Noah Davis und David Zwirner

Das Minsk Kunsthaus in Potsdam, Max–Planck–Str.17, 14473 Potsdam; Stadtplan
Noah Davis bis 05.01.2024. In Circulation 22. & 23.11.2024

@dasminsk

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FAST ZU NAH DRAN: RINEKE DIJKSTRAS PORTRÄTS IN DER BERLINISCHEN GALERIE

FAST ZU NAH DRAN: RINEKE DIJKSTRAS PORTRÄTS IN DER BERLINISCHEN GALERIE

Frontal, angeblitzt und slightly awkward: So stehen die Protagonist:innen in den Arbeiten der niederländischen Fotografin Rineke Dijkstra vor einem. Dijkstra macht Porträts – so empathisch wie sonst wenige Fotograf:innen. Heute Abend (07.11.2024) eröffnet die Berlinische Galerie ihre Retrospektive „Rineke Dijkstra. Still — Moving. Portraits 1992–2024„. Auf den ersten Blick scheinen Dijkstras Arbeiten so direkt, wie nur möglich: frontal platziert sie ihre Modelle vor der Kamera, die Posen dürfen sich die Abgelichteten selbst aussuchen. Dann wartet sie ab und drückt den Auslöser in den Augenblicken dazwischen. Dann, wenn Jugendliche nicht wissen, wohin mit ihren Händen, wenn der Blick in die Kamera ein wenig verloren ist, oder die selbstgewählte Pose vielleicht schon einen Moment zu lang gehalten und merkwürdig steif wurde. Dijkstra fängt so subtile Gesten und ehrliche Momente ein, irgendwo zwischen bewusster Pose und unbewusster Haltung. Trotz der hyper-inszenierten Ästhetik sucht sie nach authentischen Momenten, nach der Essenz der Identität.

„Rineke Dijkstra. Still — Moving. Portraits 1992-2024“ zeigt Dijkstras zeitlos zeitgenössische Art der Porträtfotografie mit Videomaterial und mitunter ungezeigten Bildern in acht Serien: Von einer ihrer bekanntesten Reihen, „Parks“, in der sie Kinder und Jugendliche im satten Grün von städtischen Parks portraitiert, über „Almerisa“ und „Olivier (The French Foreign Legion)“, die zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft über Jahre bei der Selbstfindung des Erwachsenwerden begleitet, „Family Portraits“, in denen sie das Genre der Familienfotos erkundet, hin zu „New Mothers“ und „Bullfighters“, die intime wie rohe Momente gleichermaßen abbilden. Dabei bleibt Dijkstra ihrer Bildsprache immer treu und erweckt bei den Betrachter:innen das Gefühl großer Vertrautheit mit eigentlich Unbekannten. Dijkstras Kunst richtet sich an alle, deshalb gibt es neben der Eröffnung am 07.11. auch eine Kindervernissage mit kostenlosem Programm für die ganze Familie am Sonntag (17.11. 15–17h).

Text: Inga Krumme / Fotos: Rineke Dijkstra / Credit: Galerie Max Hetzler, Marian Goodman Gallery and Galerie Jan Mot

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr.124–128, 10969 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Rineke Dijkstra 08.11.2024–10.02.2025. Opening 07.11.2024.

@berlinischegalerie

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MUSEUM RADIKAL NEU DENKEN: BEI DER KONFERENZ „99 FRAGEN — ÜBER DIE POETIK DER LOSEN ENDEN“ IM HUMBOLDT FORUM

MUSEUM RADIKAL NEU DENKEN: BEI DER KONFERENZ „99 FRAGEN — ÜBER DIE POETIK DER LOSEN ENDEN“ IM HUMBOLDT FORUM

Kann die Erde denken? Was im ersten Moment klingt wie eine Frage des schweizer Künstlerduos Fischli & Weiss wird Ende Oktober im Humboldt Forum ganz wörtlich genommen – zurecht. „99 Fragen – Über die Poetik der losen Enden“ heißt die achttägige Hybridveranstaltung, die Konferenz, Symposium und Ausstellungen kombiniert und dabei Kosmologie, Technologie und vielfältige Wissenssysteme durch Kunst, Workshops und Diskussionen erkundet. Die Aufarbeitung kolonialer Geschichte und die Erweiterung der lokalen zur globalen Perspektive sind dabei nur einige der Ansätze, um das Konzept Museum radikal neu zu denken. Vom 25.10. bis zum 02.11.2024 finden sich dort Künstler:innen, Weber:innen und Denker:innen aus aller Welt ein, das Programm ist groß, komplex und höchst interessant: „Textiles Semillas„, ein feministisches Webprojekt aus Nordargentinien, verbindet über 300 Weberinnen und schafft Raum für Austausch zu traditionellen Techniken und Aktivismus. „South-to-South“ baut Brücken zwischen Brasilien und der Demokratischen Republik Kongo, um afrikanische und afro-diasporische Technologien zu erforschen. Sarah Ndele präsentiert ihre Multimedia-Installation „Tell Me the Story“, in der sie Plastik zu expressiven Masken schmilzt und afrikanische Erzähltraditionen neu interpretiert. Abgerundet wird das Ganze von Workshops, Performances, Talks und Interaktion. So kann man zum Beispiel an der kollaborativen Textilinstallation „La Crecida“ mitwirken, traditionelle Webtechniken erlernen oder im Workshop „Unflexibler Code / Flexible Fäden“ Weben mit digitalem Storytelling verbinden. Die Veranstaltungen sind kostenfrei und offen für alle. Sie finden auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch statt und zum gesamten Programm geht es hier.

Text: Alina Herbel / Credit: Alina Bardavid; Dzata: The Institute of Technological Consciousness (2022-2023). Russel Hlongwane, Francois Knoetze, Amy Louise Wilson

Humboldt Forum, Schloßpl.1, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan
Über die Poetik der losen Enden – 99 Questions Gathering 25.10.–02.11.2024

@humboldtforum

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HARMONIE, ERINNERUNG, VIVALDI — PERFORMING ARTS SEASON BEI DEN BERLINER FESTSPIELEN

HARMONIE, ERINNERUNG, VIVALDI — PERFORMING ARTS SEASON BEI DEN BERLINER FESTSPIELEN

In diesem Winter dreht sich im Haus der Berliner Festspiele alles um Erinnerung und Erbe. Die viermonatige Tanz-, Theater- und Performancereihe „Performing Arts Season“ bietet alles von choreografierten Konzerten bis hin zu queeren Rockopern. Das Programm begann letzte Woche und wird diesen Samstag (19.10.2024) mit der Premiere von „Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione“ („Der Wettstreit zwischen Harmonie und Erfindung“) fortgesetzt – eine tänzerische Interpretation von Antonio Vivaldis Barockklassiker „Die vier Jahreszeiten“ durch die Choreograph:innen Anne Teresa De Keersmaeker und Radouan Mriziga. In dieser zeitgenössischen Interpretation des Barockstücks bieten Zyklen, Rhythmen und präzise Bewegungen eine Reflexion über den Wandel der Jahreszeiten. In einer Zeit, in der die Klimakrise die etablierten Wettermuster auf den Kopf stellt, ist dies eine hochaktuelle Produktion. Im November steht „Verrückt nach Trost“ von Regisseur Thorsten Lensing auf dem Programm, in dem sich die Geschwister Charlotte und Felix mit der Trauer und dem Gefühl, wirklich zu leben, auseinandersetzen. Gefolgt von „Der Garten der Lüste„, einem Stück des französischen Regisseurs Philippe Quesne, das sich an Hieronymus Boschs berühmtem gleichnamigen Triptychon orientiert. Im Dezember schließlich wird Lucinda Childs‘ „Dance“, ein postmodernes choreografiertes Stück mit Musik von Philip Glass, wiederaufgenommen – direkt im Anschluss: Eine Präsentation von Childs‘ neuesten Werken mit dem Titel „Four New Works“. Die Weichen sind gestellt, und es ist an der Zeit, sich auf eine Saison der zukunftsweisenden Kultur einzulassen.

Text: Scott Moss / Credit: Anne Van Aerschot; SF, Armin Smailovic; Sally Cohn

Haus der Berliner Festspiele, Schaperstr.24, 10719 Berlin–Wilmersdorf; Stadtplan

Performing Arts Season läuft 2024/25 – das ganze Programm und die Tickets gibt’s hier.

@berlinerfestspiele

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