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VON NORDEURASIEN NACH PERU: DAS HKW ERÖFFNET ZWEI NEUE AUSSTELLUNGEN

VON NORDEURASIEN NACH PERU: DAS HKW ERÖFFNET ZWEI NEUE AUSSTELLUNGEN

Wie erzählen Künstler:innen, Kurator:innen und Schriftsteller:innen von Nordeurasien? Das Haus der Kulturen der Weltpräsentiert ab morgen Abend in der neuen Ausstellung „Als hätten wir die Sonne verscharrt im Meer der Geschichten“ verschiedene Kapitel, aus denen eine fragmentarische Erzählung der Region entsteht. Die Schau durchstreift das Gebiet des nördlichen Eurasiens und wirft Schlaglichter auf über ein Dutzend Länder, die zunächst im Staatsgebiet oder in der Einflusssphäre des Russischen Kaiserreichs, später in der Sowjetunion lagen. Zu gleichen Teilen Präsentation und Forschungsprojekt berichtet die Schau von Kontrolle und Widerstand, von Schmerz und Selbstermächtigung. Dass die Erzählung dabei Umwege nimmt und sich collagenartig zusammensetzt, spiegelt sich im Titel der Ausstellung wider: Dieser bezieht sich auf ein Gedicht des kaschmirisch-amerikanischen Dichters Agha Shahid Ali aus dem Jahr 1990 – der Zeit, in der sich die UdSSR langsam auflöste. Ali widmet sich in seinem Text der Situation in seiner von Gewalt geplagten Heimat und referenziert zugleich den polnisch-jüdisch-sowjetischen Dichter Ossip Mandelstam. Dieser starb 1938 in einem Arbeitslager in der Nähe von Wladiwostok. Im Ausstellungstitel werden Verse der beiden Dichter zu einer Strophenzeile verwoben.

Das Bruchstückhafte, das diesem Verfahren zugrunde liegt, verbindet die verschiedenen Zeitebenen und Erzählstränge der Schau auch im Großen. Erst in der Uneindeutigkeit und Vielschichtigkeit kann man zu verstehen versuchen, was die Region in der Vergangenheit bewegt hat und wohin sie sich in Zukunft bewegen wird. In Zeiten der Unterdrückung die Kontrolle über das eigene Selbst zurückzuerlangen, beschäftigt auch den peruanischen Künstler Sergio Zevallos. Ihm widmet das HKW zeitgleich eine Einzelausstellung, die auf sein 40-jähriges Schaffen zurückschaut. „Übungen zur Verwandlung“ betrachtet herrschende Wissenssysteme und präsentiert Strategien, wie diese unterlaufen werden können. Zevallos nutzt dabei immer wieder seinen eigenen Körper als Ausgangspunkt für Auswege aus einer von Kolonialismus und Kapitalismus bestimmten Gesellschaft. Zevallos‘ Performances sind schmerzhaft und intim, doch statt auf große Gesten zu setzen, ist es am Ende auch hier die Zufallspoesie der Zwischentöne, die Strukturen und Situationen überdauert.

Text: Laura Storfner / Credit: Sergio Zevallos; Jaanus Samma, Temnikova & Kasela Gallery; Auseklis Baušķenieks/ Fotos: Ansis Starks

Haus der Kulturen der Welt, John–Foster–Dulles–Allee 10, 10557 Berlin–Mitte; Stadtplan
Mi–Mo 12–19h

Als hätten wir die Sonne verscharrt im Meer der Geschichten: Fragmente zu einer Geopoetik Nordeurasiens 21.10.2023–14.01.2024

Übungen zur Verwandlung — Sergio Zevallos: Ausstellung, Archiv, Performances, Publikation 21.10.2023–14.01.2024 Eröffnung 20.10.2023

Freier Eintritt immer montags und jeden ersten Sonntag im Monat (Museumssonntag Berlin).

@hkw_berlin

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SEHNSUCHT NACH DEM NORDEN: EDVARD MUNCH IN DER BERLINISCHEN GALERIE

SEHNSUCHT NACH DEM NORDEN: EDVARD MUNCH IN DER BERLINISCHEN GALERIE

Die Werke Edvard Munchs kennt jedes Kind – nicht zuletzt, weil sogar ein Emoji seinem wohl bekanntesten Werk „Der Schrei“ nachempfunden ist. Was jedoch die wenigsten wissen, ist, dass Munch nicht nur seine Heimat Norwegen prägte. Auch die Berliner Kunstszene um die Jahrhundertwende beeinflusste er entschieden. Auf Einladung des „Vereins Berliner Künstler“ kam der junge Künstler 1892 erstmals in die Hauptstadt: Doch seine Einzelausstellung führte zum Skandal. In Berlin war man nicht bereit für Munchs Farben und die Unmittelbarkeit seiner Szenen. Die Presse und konservative Maler zeigten sich schockiert, Munchs Arbeiten wurden als „Schmierwerke“ bezeichnet und seine Ausstellung musste nach wenigen Tagen schließen. Der damals 29-Jährige ließ sich davon nicht abbringen. Im Gegenteil. Die Berlinische Galerie blickt nun mit rund 80 Werken auf die Geschichte von Edvard Munch und Berlin zurück.

Im Zusammenspiel mit Arbeiten anderer Künstler:innen, die Munchs Weg in Berlin kreuzten, entsteht so ein Stimmungsbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Schau führt vor, wie Munch Teil der Künstlerszene der Stadt wurde: wie er in der Weinstube „Zum schwarzen Ferkel“ in Mitte mit Schriftsteller:innen, Dichter:innen und Künstler:innen zusammenkam und schließlich als Mitglied der Berliner Secession arbeitete. Im Kontrast zu Werken von Berliner Kollegen wie Ludwig von Hofmann oder Walter Leistikow wirken Munchs Naturansichten auch heute noch so fortschrittlich, als würde man verschiedene Epochen vergleichen. Munch brach nicht nur mit der romantisierten Vorstellung von malerischen Fjorden – seine Kunst sprengte die Grenzen dessen, was damals darstellbar war. Auf diese Weise gelingt es der Berlinischen Galerie zu vermitteln, wieso die sogenannte „Affaire Munch“ nicht als Debakel in die Geschichtsbücher einging – sondern bis heute als Geburtsstunde der Moderne gefeiert wird.

Text: Laura Storfner / Foto: Harry Schnitger / Credit: Edvard Munch & Berlinische Galerie

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr.124–128, 10969 Berlin-Kreuzberg; Stadtplan

Edvard Munch: Zauber des Nordens bis 22.01.2024. Mo, Mi, Fr, Sa, So 10–18h, Do 10–20h (ab 17 Uhr ermäßigter Eintritt)

@berlinischegalerie

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EIN TOTER IM FAHRSTUHL, EXISTENZFRAGEN IN DER LOBBY & BACH ZUM MITSINGEN — DIE NEUKÖLLNER OPER INSZENIERT „DER TEUFEL IM LIFT“

EIN TOTER IM FAHRSTUHL, EXISTENZFRAGEN IN DER LOBBY & BACH ZUM MITSINGEN — DIE NEUKÖLLNER OPER INSZENIERT „DER TEUFEL IM LIFT“

Wenige Kantatenwerke — lyrische Gedichte in verschiedenen Sätzen mit Instrumentalbegleitung – sind so bekannt wie das von Johann Sebastian Bach. Doch wie nähert man sich so autoritärem Stoff? Ab diesem Samstag (14.10.2023) zeigt die Neuköllner Oper die wohl bestmögliche Variante einer neu interpretierten Annäherung: „Der Teufel im Lift“ ist der Titel der Musiktheaterproduktion von J.S. Bach (Musik), John von Düffel (Text) und der „lautten compagney“, welche sich voll Humor und Spannung auf der Bühne ergießt. Und darum geht’s: Die „Lichtseherin“ Blanche (wie sollte sie auch anders heißen?), der Gehirnspezialist Prof. Dr. Sanchez, die junge Journalistin Raquel und ein rat- und rastloser Portier treffen nachts in der Lobby des „Hotel Heaven“ aufeinander, aus dem Aufzug fällt ein mysteriöser Unbekannter und konfrontiert die Reisenden mit ihren tiefsten und dramatischsten Sehnsüchten, Ängsten und surrealen Fantasien. Ist es ein gefallener Engel? Ist es Luzifer, der Teufel, wie es in den montierten Kantaten heißt? „Sag wie hältst Du’s mit der Religion“ — oder mit der Wissenschaft? Plötzlich steht die ewige Gretchenfrage im Raum, auf einmal geht es ums Ganze: Vergangenheit und Zukunft, Leben und Tod, Sinn und Glaube. Packend, wirbelnd, erratisch und jederzeit unterhaltsam entwickelt sich das Stück und nimmt das Publikum ganz wortwörtlich mit, wenn es um alles geht — der ein oder andere Choral kann explizit mitgesungen werden. Selten fühlte sich Bach so nah(bar) an.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Thomas Koy & Neuköllner Oper

Neuköllner Oper, Karl-Marx-Str.131–133, 12043 Berlin–Neukölln; Stadtplan
Di 15–19h, an Spieltagen ab 15h.

Teufel im Lift: Infos zu den Spielzeiten und Tickets gibt’s hier.

@neukoellneroper

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VOM IDYLLISCHEN SCHLOSSPARK BIS HIN ZU MODERNEN AUSSTELLUNGEN: AUSFLUG ZUM SCHLOSS NEUHARDENBERG

VOM IDYLLISCHEN SCHLOSSPARK BIS HIN ZU MODERNEN AUSSTELLUNGEN: AUSFLUG ZUM SCHLOSS NEUHARDENBERG

Wenn von Schlössern die Rede ist, kommst Du am Schloss Neuhardenberg in der gleichnamigen Gemeinde in Brandenburg, nicht vorbei. Mit dem Auto durch das Eingangstor blickst Du auf den langen Teich, in dem mehrere orange schimmernde oder schwarz gefleckte Kois schwimmen. Nach einem zweiminütigen Fußweg vorbei am Teich und dem Hotel, kannst Du das Schloss Neuhardenberg erblicken. Die klassizistischen Elemente des Gebäudes leiten Deinen Blick auf die filigrane Inschrift „Gratia Regis“ (Dank des Königs) über dem Eingang. Es ist ein kleiner Sprung in die Vergangenheit und zeigt, dass das Schloss als Geschenk des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. an seinen Staatskanzler Karl August von Hardenberg zum Dank für seine Verdienste diente. Für einen kleinen Obolus kannst Du mehr über historische und kulturelle Geschichten zum Schloss in der ständigen Ausstellung erfahren. Das Schloss-Parterre ist sonntags zu besichtigen, außerdem finden neben Schlossbesichtigungen regelmäßig Veranstaltungen in der lichtdurchfluteten Orangerie, im Großen Saal und in der Schinkel-Kirche sowie Ausstellungen statt. Gerade passend kannst Du bei der kostenlosen Ausstellung „Entlang der Oder“ (bis 29.10.2023) vorbeischauen. Dort zeigen 14 Studierende der Ostkreuzschule für Fotografie im Großen Saal, in der Kleinen Orangerie und im Hotelfoyer in 13 Bildserien die unterschiedlichsten Momentaufnahmen, die das Odergebiet zu bieten hat.

Angefangen von der Dokumentation der schimmernden Blechstücke im fließenden Wasser bis hin zum Alltag von geflüchteten ukrainischen Jugendlichen. In einer ebenfalls kostenlosen Führung am 29.10. (16 Uhr), erzählen die Fotograf:innen von ihrer Arbeit und ihren facettenreichen Erfahrungen im Odergebiet. Parallel hierzu läuft die Ausstellung „Blick in die Zeit – Alter und Altern im photographischen Porträt“ u.a. mit Werken von Helga Paris, Cindy Sherman und Larry Sultan. Von den 1910er Jahren bis in die Gegenwart stellt die Ausstellung am Beispiel des Porträts internationale Positionen der Fotografie vor. Und falls Du bei Deinem Besuch nicht nur Deinen Augen etwas Gutes tun willst, sondern auch Deinen Ohren, dann solltest Du unbedingt zum „Jeff Lorber Fusion Trio: Space-Time„-Konzert (05.11.2023) vorbeischauen – oder besser gesagt vorbeihören. Wer länger als nur einen Tag auf dem Schlossensemble verweilen möchte, kann im Hotel Schloss Neuhardenberg innehalten und beim Frühstück einen fantastischen Ausblick von der Terrasse aus auf den angrenzenden Schlosspark, unter Peter Joseph Lennés Mitwirken im englischen Stil gestaltet, genießen. Ob Du ein Open-Air-Konzert, Kunstausstellungen, Vorträge, Performances besuchst oder einfach so das Schloss besichtigst, es lohnt sich!

Text: Mary Linh Tran / Fotos: Simon Häuser & Fotokraftwerk

Schloss Neuhardenberg, Schinkelplatz 1-8, 15320 Neuhardenberg, Stadtplan

Schlossbesichtigung von April bis Oktober So 11–18h. Tickets für das Konzert „Jeff Lorber Fusion Trio: Space–Time“ gibt es hier.

@stiftungschlossneuhardenberg

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DIE MODERNE IM ANGESICHT DER APOKALYPSE — JULIEN GOSSELINS BILDSTARKES EPOS “EXTINCTION” AN DER VOLKSBÜHNE

DIE MODERNE IM ANGESICHT DER APOKALYPSE — JULIEN GOSSELINS BILDSTARKES EPOS “EXTINCTION” AN DER VOLKSBÜHNE

Nihilismus, Zerstörung und die Suche nach einer verschüttenden Revolte. Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Thomas Bernhard. Party, Konzert, Live-Film und Sprechtheater. Wild war sie, laut und imposant. Die Spielzeiteröffnung der Volksbühne mit Julien Gosselins epischer Inszenierung “Extinction” überschreitet die Genregrenzen. Inhaltlich den künstlerischen und intellektuellen Aufbruch im Wien des 20. Jahrhunderts umkreisend, zieht Gosselins Stück uns Zuschauende in den rauschenden Bann des fin de siècle. Geprägt von gesellschaftlichen Debatten, unterschwelligen Konflikten und der Ambivalenz zwischen Schönheit und brutaler Realität, zeichnet der französische Regisseur ein opulentes Bild des Wiener Lebens vor dem Ersten Weltkrieg, die Gesellschaft der Handlung voll Ignoranz, Individualismus und dem drohenden Untergang des Kaiserreichs. Ab dem 07.10.23 ist die Wiederaufnahme viermal in der Volksbühne zu sehen. In über fünf Stunden, mit zwei Pausen und auf drei Sprachen spannt sich der Bogen multimedial durch Literaturen und Genre und wirft dabei seinen Blick auf das Ringen der Elite nach Ideal und Schönheit im Angesicht von Trieb und Tod.

In einer Art dreiteiligen “fröhlichen Apokalypse” (Hermann Broch) geht es um Schönheit und Trieb, um Nervosität und Neurose, um unterschwellige Gewalt, unterdrückte Sexualität und Macht — und darum, einen Gegenentwurf der Moderne zu entwickeln. Narrativ und Neurose kreisen um Ignoranz, Individualismus, Liberalisierung und Demokratisierung, Kultiviertheit, Gewalt, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus, Industriealisierung und Bourgoisie. Alle Schlagworte des letzten Jahrhunderts gelten, alle werden sie aufgerufen, beschworen in Gosselins bildgewaltiger Wortschlacht der deutschen Literatur, so einnehmend, dass die Länge des Stückes im Flug vergeht.

Text: Hilka Dirks / Fotos: Luna Zscharnt

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Linienstr.227, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan

Extinction – Aufführungen: Sa 07.10., So 08.10., Fr 20.10., Sa 21.10. je 18h. In französischer und deutscher Sprache mit deutschen, französischen und englischen Übertiteln.

Tickets erhältst Du hier

@volksbuehne_berlin

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