Als Anwohner der Heidelberger Straße in Neukölln werde ich ständig an die Berliner Mauer erinnert. Die Fenster meines Altbaus blickten einst auf die Ostberliner Grenze; heute erinnert eine Gedenktafel an die mehr als 100 Menschen, die aus der DDR durch Tunnel in den Keller meines Hauses flüchteten. Während diejenigen, die nicht in diesen vernarbten Grenzräumen zwischen Ost und West leben, sich vielleicht nur selten mit der Mauer beschäftigen, bietet der 35. Jahrestag der „friedlichen Revolution“, die am 09.11.1989 in der Öffnung der Berliner Grenze gipfelte, nächstes Wochenende eine besondere Gelegenheit. Zwei Tage lang finden Open-Air-Installationen, Veranstaltungen und Performances entlang des ehemaligen Mauerverlaufs statt. Das offizielle Programm beginnt mit „Der Weg zur Freiheit„, einer Freiluftausstellung mit Augenzeugenberichten und historischen Fotos, die Schlüsselmomente und Persönlichkeiten hinter dem Eisernen Vorhang zeigen (Eröffnung am 08.11.2024). Daneben wird eine vier Kilometer lange Open-Air-Installation gezeigt, auf der Tausende von Protestbannern zu sehen sind, mit denen die Ostdeutschen Rechte und Reformen forderten. Die Feierlichkeiten werden am 09.11. mit dem „Fest für Freiheit“ fortgesetzt, bei dem Hunderte von Musiker:innen vor den ehemaligen Grenzkontrollpunkten in Mitte auftreten (Beginn 20 Uhr). Am 10.11. wird das feministische Performance-Kunst-Kollektiv Pussy Riotdas eintägige Demokratie-Festival mit einer Multimedia-Punk-Show in der ehemaligen Stasi-Zentrale (Campus für Demokratie) eröffnen. Neben dem offiziellen Programm finden im C/O Berlin und im Filmtheater ColosseumVorträge, Workshops und Ausstellungen statt, die sich mit der Mauer beschäftigen, die eine ganze Stadt 28 Jahre, zwei Monate und 27 Tage lang teilte.
Text: Benji Haughton / Fotos: Alexander Rentsch & Kulturprojekte
Das vollständige Programm von 35 Jahre Mauerfall kannst D uauf der Website einsehen.
@mauerfall35
Wenn uns an diesem Wochenende nicht der Teufel holt, dann tut es Anna van der Velde bereits am Donnerstag (31.10): In ihrer Solo-Ausstellung Beelzebub verwebt die visuelle Künstlerin Film, Performance und Technologie zu einem immersiven Erlebnis, das die Verbindung zwischen mentaler Gesundheit und dem Einfluss der digitalen Welt erkundet. Drei Shows und eine ausladende Afterparty finden im Berliner Napoleon Komplex statt. Es muss keine Halloweenparty sein, aber ab Freitag (01.11.) kannst Du Deine Events über Tourist Official buchen und kreatives Mitglied der außerirdischen Community werden. Das gilt übrigens auch für Berliner:innen. Um ihr Netzwerk in Person kennenzulernen, feiert die Plattform ihr Debüt mit einem Pop-up im Tor86 bei einem DIY-Workshop, Drinks & DJ-Sets. Unheimlich köstlich wird es dann am Samstag (02.11.) bei Frizza Bistro. Das italienisch inspirierte Restaurant lockt zu einem schaurigen Halloween Brunch und serviert fünf mystische Frühstücksgänge, die außerhalb dessen liegen, was wir als Brunch kennen. Und falls Du am Mittwoch den Pilates-Kurs verpasst hast: Queer Ping Pong erhellt am Sonntag (03.11.) den Gropius Bau und lädt vor allem FLINTA* und Allies zum Battle an der Platte ein. Die Fusion aus Tischtennis und queerer Clubkultur, begleitet von einer Reihe von DJ-Sets, hält für Profis ebenso wie für Anfänger:innen und Kinder eine Kelle bereit. Tischtennis-Equipment gibt es nämlich vor Ort, und auch sonst ist dieses Event kostenlos und barrierefrei.
Wer sich selbst nicht bewegen will, kann auch einfach nur zusehen. Am Freitag (01.11.) feiert die Young Boy Dancing Group in der Galerie Trautwein Herleth ihren 10-jährigen Geburtstag mit einer kostenlosen Performance. Wer mehr Zeit und Hunger mitbringt, kann sich auch für die dreistündige Dinner Performance am Sonntag (03.11.) entscheiden. Zu Musik von Harfenist Ange Halliwell serviert Caique Tizzi seine kunstvollen Gänge, die Teil von Tanz und Bewegung werden. Ein Ticket kannst Du ganz einfach via DM an YBDG buchen. Ebenfalls am Sonntag (03.11.) gibt es für Kunstinteressierte in der Berlinischen Galerie ein Kunstgespräch in deutscher Gebärdensprache über die Ausstellung Mariechen Danz, die noch bis April 2025 zu sehen ist. Veronika Kranzpiller und Sieglinde Lemcke laden dabei vor allem taube und gebärdensprachkompetente Menschen zum Austausch ein. Die Anmeldung findet vor Ort statt, der Eintritt ist frei.
Text: Emma Zylla / Fotos: Roman März, Louange Mubengay & Anna van der Velde / Poster: Oldearth.Design
Napoleon Komplex, Modersohnstr. 35–45, 10245 Berlin–Friedrichshain; Stadtplan
Beelzebub 31.10.2024. Shows 20–22h30. Afterparty 22h30–03h30. Anmeldung via Link.
Tor86, Torstr.86, 10119 Berlin–Mitte; Stadtplan
Tourist Official 01.11.–08.11.2024. Opening 01.11.2024 18–22h
Frizza Bistro, Nürnberger Str.8, 10787 Berlin–Charlottenburg; Stadtplan
Halloween Brunch 02.11.2024 11–13h & 13h30–15h30. Tischreservierung via Link.
Gropiusbau, Niederkirchnerstr.7, 10963 Berlin–Mitte; Stadtplan
Queer Ping Pong 03.11.2024 11–19h
Trautwein Herleth, Kohlfurter Str.41/43, 10999 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Young Boy Dancing Group 01.11.2024 20h. 03.11.2024 19h. Ticket via DM.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstr.124–128, 10969 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Kunstgespräch in DGS: Mariechen Danz 03.11.2024 14–15h. Anmeldung vor Ort.
@annavandervelde_
@napoleon.komplex
@tourist.official
@86_tor
@frizza.kitchen
@queer_pingpong
@gropiusbau
@trautweinherleth
@ybdg_4
@ange_halliwell
@caiquetizzi
@berlinischegalerie
Einige der lustigsten Publikationen sind die improvisierten: Kleine Hefte, die auf dem WG-Boden mit Heftklammern und Kleber zusammengebastelt wurden. Ja, das bescheidene Zine – ein herrlich unabhängiges Medium, das diese Woche auf dem Flyleaf Book & Zine Festival in Neukölln (24.-27.10.2024) gefeiert wird. Mehr als 70 Buch- und Magazinmacher:innen stellen ihre Zines, Mikropublikationen, Kunstbücher und Illustrationen an drei verschiedenen Orten aus: Bei den Verlagen Falschrum Books und Replika Publishing, die sich eine Adresse in der Braunschweiger Straße teilen, und im Projektraum WirWir in der Stuttgarter Straße. Von fotokopierter Poesie bis hin zu Kunst und Aktivismus – die Leser:innenschaft dieser Publikationen ist klein, ihre Themen sind hyper nischenhaft und ihre Politik radikal. Die chaotisch-verträumten Illustrationen der argentinisch-berlinerischen Künstlerin Maria Victoria Rodriguezfinden sich neben dem Kommunistischen Lesebuch im Risodruck des Berlin-Wien Verlags Well Gedacht. Dann gibt es noch die Ausgabe 001 des Monochromator Magazins, die eine 146 Seiten lange postkoloniale Analyse des Phänomens Barbenheimer enthält. Ein Blick in die Exemplare lohnt sich!
Text: Benji Haughton / Fotos: April Gertler, Flyleaf
Falschrum Books & Replika Publishing, Braunschweiger Str.16, 12045 Berlin–Neukölln; Stadtplan
WirWir, Stuttgarter Str.56, 12059 Berlin–Neukölln; Stadtplan
Flyleaf Book & Zine Festival 24.–27.10.2024. Do–Fr 16–21h & Sa–So 12–21h
@falschrum_books
@replika.publishing
@wirwirberlin
Weil uns für diese Stadt manchmal die Worte fehlen, müssen wir schnell ein Foto machen: Der kollaborative Liebesbrief „Dear Berlin“ (24.– 27.10.2024) fängt die bewegte Metropole und ihre Subkultur so unmittelbar wie möglich ein: Durch die Linse der Polaroidkamera. Am Donnerstag (24.10.) kannst Du Kurator Alex Flach und die jungen Künstler:innen bei der Eröffnung in der HVW8 Gallery begleiten. Die fotografische Hommage an Berlin feiert nämlich 15 Jahre Civilist Berlin. Und wer noch nicht genug Berliner Mikrokosmos hat: Team Jules lädt diesen Sonntag (27.10.) in Jules B-Part am Gleisdreieck ein letztes Mal für diese Saison mit Food, Drinks & Musik zum „Friendly Flohmarkt“ ein. Rund 40 Stände warten auf Dich – falls Du noch nach warmen Wollpullovern oder Winterjacken suchst, wirst Du hier bestimmt fündig. Letzte Runden gibt es auch im Herrlich Studio: Ebenfalls am Sonntag lädt das Team mit Special Drinks und Lasagne zum Summer Closing ein und öffnet die Türen ab November nur noch für geplante Events. Danke liebes Studio, der Sommer mit Euch war herrlich! Und wer am Wochenende gern mal eine Flasche Naturwein mit Freund:innen öffnet und mehr über das erfahren möchte, was im Glas landet, sollte an einem der Natural Wine Tastings von ShisoStar teilnehmen. Jeden Sonntag im November bietet Oli Park in kleinen Achter-Gruppen Tastings an, wo Du mehr über die Charakteristiken unterschiedlicher Weine lernst. Die Kurse eignen sich besonders für Beginner:innen und neugierige Natural-Wine-Liebhaber:innen. Einen der begehrten Plätze kannst Du einfach via DM an Oli buchen.
Text: Emma Zylla / Fotos: Robyn Steffen, Seamus Platt, Tim Rosenbaum
HVW8 Gallery, Linienstr.161, 10115 Berlin–Mitte; Stadtplan
15 Jahre Civilist: Dear Berlin 24.–27.10.2024. Opening: 24.10.2024 18–22h.
Jules B-Part, Luckenwalder Str.6b, 10963 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Friendly Flohmarkt 27.10.2024 11–17h
Studio Herrlich, Mainzerstr.23, 12053 Berlin–Neukölln; Stadtplan
Summer Closing Lasagne Party 27.10.2024 12–18h
ShisoStar Natural Wine Tastings
03.11., 10.11., 17.11. & 24.11.2024 15–17h. Sichere Dir einen Platz per DM.
@civilistberlin
@hvw8gallery
@jules_community
@herrlich.studio
@shisostar
In der schummrigen Dämmerung des Freitagabends, wenn die Straßen Berlins von einer erwartungsvollen Energie erfüllt sind, öffnet die Marmorbar ihre Pforten für ein Spektakel, das die Grenzen zwischen Nostalgie und Moderne verwischt. Es ist jener magische Moment, in dem die Woche endet und das Wochenende seine zarten Fühler ausstreckt – und genau hier, in diesem Zwischenreich, entfaltet sich die „Italo Disco & Sprizz„-Nacht. Die Marmorbar verwandelt sich mit dem Einbruch der Dunkelheit in einen Schmelztiegel der Sinne. Der Duft von Aperol und Campari schwebt durch die Luft, vermischt sich mit den ersten Takten eines Giorgio Moroder Tracks, und plötzlich fühlt man sich wie in einer Zeitkapsel, irgendwo zwischen Mailand 1984 und Berlin 2024. Das Getränk der Stunde, des Jahrzehnts, ja des Lebens: Sprizz. Aperol Sprizz, Campari Sprizz, Sarti Sprizz oder alkoholfreier Crodino Sprizz, einfach alles Sprizz. Die Gäste, eine eklektische Mischung aus Nostalgikern und Trendsettern, nippen an ihren klimpernden Gläsern voll pulsierend roter Flüssigkeiten, während ihre Körper sich unwillkürlich im Rhythmus der Musik wiegen.
Es ist, als hätte man den Geist einer längst vergangenen Ära eingefangen und in die Gegenwart transplantiert – nur um festzustellen, dass er hier lebendiger denn je ist. In den Gesichtern der Tanzenden spiegelt sich das flackernde Licht der Diskokugel, und für einen Moment vergisst man, dass draußen vor der Tür das 21. Jahrhundert tobt. Direkt vor dem Schlesischen Tor vereint die Marmorbar Cocktailkompetenz und Berliner Nachtkultur. In dem geschichtsträchtigen Backsteinbau der einst die Königliche Wasserbauinspektion I und später den legendären Club Châlet beherbergte wird nicht einfach nur gefeiert – hier wird eine Legende am Leben erhalten, Woche für Woche, Freitag für Freitag. Und wer einmal Teil dieser magischen Nacht war, wird immer wieder zurückkehren – auf der Suche nach jenem flüchtigen Moment, in dem alles möglich scheint und die Zeit stillzustehen scheint.
Text: Alina Herbel / Fotos: Anna Tarazevich, Mart Production & Marmorbar
Marmorbar, Vor dem Schlesischen Tor 3, 10997 Berlin–Kreuzberg; Stadtplan
Zu den Tickets geht’s hier. Für Gruppenanfragen schickst Du am besten eine E-Mail.
@marmor_bar