Kann die Erde denken? Was im ersten Moment klingt wie eine Frage des schweizer Künstlerduos Fischli & Weiss wird Ende Oktober im Humboldt Forum ganz wörtlich genommen – zurecht. „99 Fragen – Über die Poetik der losen Enden“ heißt die achttägige Hybridveranstaltung, die Konferenz, Symposium und Ausstellungen kombiniert und dabei Kosmologie, Technologie und vielfältige Wissenssysteme durch Kunst, Workshops und Diskussionen erkundet. Die Aufarbeitung kolonialer Geschichte und die Erweiterung der lokalen zur globalen Perspektive sind dabei nur einige der Ansätze, um das Konzept Museum radikal neu zu denken. Vom 25.10. bis zum 02.11.2024 finden sich dort Künstler:innen, Weber:innen und Denker:innen aus aller Welt ein, das Programm ist groß, komplex und höchst interessant: „Textiles Semillas„, ein feministisches Webprojekt aus Nordargentinien, verbindet über 300 Weberinnen und schafft Raum für Austausch zu traditionellen Techniken und Aktivismus. „South-to-South“ baut Brücken zwischen Brasilien und der Demokratischen Republik Kongo, um afrikanische und afro-diasporische Technologien zu erforschen. Sarah Ndele präsentiert ihre Multimedia-Installation „Tell Me the Story“, in der sie Plastik zu expressiven Masken schmilzt und afrikanische Erzähltraditionen neu interpretiert. Abgerundet wird das Ganze von Workshops, Performances, Talks und Interaktion. So kann man zum Beispiel an der kollaborativen Textilinstallation „La Crecida“ mitwirken, traditionelle Webtechniken erlernen oder im Workshop „Unflexibler Code / Flexible Fäden“ Weben mit digitalem Storytelling verbinden. Die Veranstaltungen sind kostenfrei und offen für alle. Sie finden auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch statt und zum gesamten Programm geht es hier.
Text: Alina Herbel / Credit: Alina Bardavid; Dzata: The Institute of Technological Consciousness (2022-2023). Russel Hlongwane, Francois Knoetze, Amy Louise Wilson
Humboldt Forum, Schloßpl.1, 10178 Berlin–Mitte; Stadtplan
Über die Poetik der losen Enden – 99 Questions Gathering 25.10.–02.11.2024
@humboldtforum
In diesem Winter dreht sich im Haus der Berliner Festspiele alles um Erinnerung und Erbe. Die viermonatige Tanz-, Theater- und Performancereihe „Performing Arts Season“ bietet alles von choreografierten Konzerten bis hin zu queeren Rockopern. Das Programm begann letzte Woche und wird diesen Samstag (19.10.2024) mit der Premiere von „Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione“ („Der Wettstreit zwischen Harmonie und Erfindung“) fortgesetzt – eine tänzerische Interpretation von Antonio Vivaldis Barockklassiker „Die vier Jahreszeiten“ durch die Choreograph:innen Anne Teresa De Keersmaeker und Radouan Mriziga. In dieser zeitgenössischen Interpretation des Barockstücks bieten Zyklen, Rhythmen und präzise Bewegungen eine Reflexion über den Wandel der Jahreszeiten. In einer Zeit, in der die Klimakrise die etablierten Wettermuster auf den Kopf stellt, ist dies eine hochaktuelle Produktion. Im November steht „Verrückt nach Trost“ von Regisseur Thorsten Lensing auf dem Programm, in dem sich die Geschwister Charlotte und Felix mit der Trauer und dem Gefühl, wirklich zu leben, auseinandersetzen. Gefolgt von „Der Garten der Lüste„, einem Stück des französischen Regisseurs Philippe Quesne, das sich an Hieronymus Boschs berühmtem gleichnamigen Triptychon orientiert. Im Dezember schließlich wird Lucinda Childs‘ „Dance“, ein postmodernes choreografiertes Stück mit Musik von Philip Glass, wiederaufgenommen – direkt im Anschluss: Eine Präsentation von Childs‘ neuesten Werken mit dem Titel „Four New Works“. Die Weichen sind gestellt, und es ist an der Zeit, sich auf eine Saison der zukunftsweisenden Kultur einzulassen.
Text: Scott Moss / Credit: Anne Van Aerschot; SF, Armin Smailovic; Sally Cohn
Haus der Berliner Festspiele, Schaperstr.24, 10719 Berlin–Wilmersdorf; Stadtplan
Performing Arts Season läuft 2024/25 – das ganze Programm und die Tickets gibt’s hier.
@berlinerfestspiele
DIE STUNDEN DER STUNDE — DRINKS, TUNES UND COMMUNITY GENIESSEN BEI DEN FOTOGRAFISKAS APERITIVO-HOURS
Die Sonne verschwindet immer früher hinter den Dächern, doch die Lust auf kleine Aperitivos, um das Wochenende einzuläuten, bleibt bekanntlich das ganze Jahr. Wenn man sich die Wolken dahinten so anguckt, wäre es vielleicht aber drinnen ganz gut – und am besten noch irgendwo, wo es fantastische Menschen zum Kennenlernen, Austauschen und Networken gibt. Und über welches Thema geht das leichter als die Kunst? Nichts einfacher als das. Immer donnerstags lädt Fotografiska in Mitte in seine Café-Bar zu Aperitivo Hours mit delikaten Drinks, dynamischen DJs und durchaus interessanten Leuten: Kurator:innen, das Museumsteam, die Community und natürlich die Freund:innen, die Du mitbringst – alle sind sie da. Geteilt werden die Liebe zur Fotografie, zu hochwertigen Getränken und heißen Tunes, wie sie von den bekannten Resident DJs wie Dreea, UrbnMowgli und Dimitra Zina aufgelegt werden. Die entspannte Atmosphäre lädt zum Verweilen ein, während man die neuesten Ausstellungen diskutiert oder einfach den Klängen lauscht. Und das beste: Als Fotografiska-Member gibt es Rabatt auf ausgewählte Drinks. Du bist noch keine:r? Dann hier entlang!
Text: Alina Herbel / Credit: Fotografiska
Fotografiska Berlin, Oranienburger Str.54, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
Aperitivo Hours jeden Donnerstag.
@fotografiska.berlin
Wenn die Blätter anfangen zu fallen und das Licht milder wird, sehnen wir uns nach den passenden Filmen. Wenn Du Dich nach einer filmischen Reise durch die Toskana sehnst, können wir Dir den düsteren und wundervoll gedrehten La Chimera empfehlen, den neuesten Film der italienischen Regisseurin Alice Rohrwacher. In dem melancholischen, krawalligen und stark an Fellini angelehnten Film spielt der „Challengers“- und „The Crown“-Hauptdarsteller Josh O’Connor den britischen Archäologen Arthur, der sein akademisches Leben hinter sich lässt, um eine Bande italienischer Grabräuber anzuführen, welche Schätze aus antiken Gräbern rauben. Die Erzählung entfaltet sich langsam und ist oft jenseitig: Man weiß nie genau, ob man die Vergangenheit oder die Gegenwart, die Realität oder einen Traum beobachtet. Rohrwachers Mischung aus Realität und Fantasie und O’Connors intensiver Darstellung brachten dem Film in Cannes eine neunminütige Standing Ovation ein. Den Film solltest Du Dir auf jeden Fall mehrmals anschauen – das kannst Du nun besonders gut, denn La Chimera ist auf Mubi zusammen mit der gesamten Sammlung von Alice Rohrwacher-Filmen verfügbar zum Streamen. Wenn Du noch keine Mitgliedschaft hast, kannst Du Mubi über diesen Link 30 Tage lang kostenlos testen.
Text: Benji Haughton / Credit: Alice Rohrwacher, La Chimera (2023)
La Chimera kann jetzt über Mubi gestreamt werden.
@mubideutschland
Reizüberflutung. Spektakulär Barock. Ein cineastischer Fiebertraum. Man kann Marco Brambilla sicher nicht vorwerfen, dass er einen unberührt lässt. Die hypnotischen Szenen des in London lebenden Videokünstlers sind sowohl eine Atempause als auch die Krönung der flüchtigen Bilder, die wir täglich auf unseren Bildschirmen sehen. Double Feature, Brambillas neueste Berliner Ausstellung, die ab morgen (11.10.2024) im Fotografiska Berlin zu sehen ist, ist da keine Ausnahme. Sie besteht aus zwei überdimensionalen Videocollagen, „Heaven’s Gate“ (2022) und „Civilization“ (2008), die als eine Art Satire auf Hollywoods Besessenheit auf Ruhm und Reichtum dienen. Auf riesigen, mehrdimensionalen Projektionen fügen sich die geloopten Grafiken zu surrealen digitalen Wandteppichen zusammen, die die Grenze zwischen Realität und Fantasie verwischen. Ikonische Momente aus dem Goldenen Zeitalter des Films blitzen neben brennenden Stadtlandschaften auf und nehmen Dich mit auf eine unheimliche Reise durch unsere mediengesättigte Welt. Brambillas Dosis Fegefeuer und Paradies kannst Du ab morgen bis März 2025 täglich erleben.
Text: Scott Moss / Credits: Marco Brambilla, from Civilization, 2008; Marco Brambilla, from Heaven’s Gate, 2022; Foto: Koen Broos
Fotografiska Berlin, Oranienburger Str.54, 10117 Berlin–Mitte; Stadtplan
Double Feature läuft vom 11.10.2024 bis 02.03.2025.
@fotografiska.berlin